Einleitung

Schlaf charakterisiert sich als ein rasch reversibler Zustand reduzierten Bewusstseins, welcher sich durch eine Vielzahl von biochemischen und physiologischen Charakteristika signifikant vom Wachzustand abhebt. Dieser Zustand ist von ausserordentlicher Komplexität sowie geprägt von teilweise hoher neuronaler Aktivität und Modulation diverser physiologischer Funktionen, wobei er nicht monomorph und uniform verläuft. Trotz umfangreicher Forschung bleiben zahlreiche Aspekte in Bezug auf Funktionen sowie biochemische und physiologische Prozesse des Schlafes unklar. Unbestritten ist jedoch die Tatsache, dass Schlafstörungen eine beachtliche Auswirkung auf die psychische und physische Gesundheit ausüben und oftmals mit diversen Begleit- und Sekundärerkrankungen assoziiert sind.

Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) gehören zu den häufigsten Gesundheitsbeschwerden und werden im klinischen Alltag oft berichtet. Sie ziehen häufig eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität der Patienten nach sich und treten oftmals in Verbindung mit kognitiven Störungen auf. Des Weiteren treten Schlafstörungen häufig als Komorbidität auf, insbesondere bei Patienten, die an internistischen, psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen leiden.1 Wenn eine Behandlung erfolgt, dann in der Regel mit Hypnotika, Phytotherapie und Antidepressiva. Nur wenige Betroffene erhalten eine Psychotherapie.2

Prävalenzen von Schlafstörungen

Ein dauerhaft unerholsamer Nachtschlaf beeinträchtigt sowohl die physische als auch die mentale Gesundheit und mindert die Leistungsfähigkeit im Alltag und im Berufsleben. Schlafstörungen sind daher ein verbreiteter Beratungsanlass in der Hausarztpraxis und nehmen Rang 15 der häufigsten Vorstellungsgründe ein.2 Laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 2012 leiden nahezu ein Viertel aller Schweizer unter Einschlafschwierigkeiten, unruhigem Schlaf sowie mehrmaligem oder frühmorgendlichem Erwachen.3 Insbesondere Ein- und Durchschlafstörungen führen dazu, dass Betroffene medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.4

Nach internationalen epidemiologischen Studien leiden etwa 17 bis 32 % der Bevölkerung unter Schlafstörungen. Allerdings werden die Ursachen dieser Störungen häufig nicht korrekt diagnostiziert.2,5,6 In westlichen Ländern erfüllen ungefähr 6 % der Menschen die Kriterien für eine chronische Insomnie. Dabei sind Frauen häufiger betroffen und die Inzidenz steigt mit zunehmendem Alter.7 Dennoch sucht nur etwa ein Drittel der Betroffenen medizinischen Rat.8

Die CSS-Krankenversicherung hat kürzlich eine schweizweit durchgeführte Gesundheitsstudie mit 2432 Personen veröffentlicht, welche Hinweise auf eine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands der Bevölkerung gibt.9 Über ein Drittel der Teilnehmenden gaben dabei an, sich nicht vollumfänglich gesund zu fühlen – ein Anstieg im Vergleich zu 22 % im Jahr 2020. Insbesondere bei Personen über 65 Jahren ist eine markante Zunahme von gesundheitlichen Beschwerden zu verzeichnen: Der Anteil, der sich gesundheitlich beeinträchtigt fühlt, stieg von 30 % im Jahr 2020 auf 46 % in der aktuellen Erhebung. Ebenso gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, häufig unter Müdigkeit und Erschöpfung (68 %) zu leiden. Diese beeinträchtigte Gesundheit beeinflusst den Alltag der Betroffenen zudem merklich, indem sie zu Schlafproblemen führt, das Sozialleben einschränkt und chronischen Stress verursacht.

Symptome der Schlafstörungen

Schlafstörungen können weitreichende Folgen haben: Sie können die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und zu Benommenheit, Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten, Unruhe, Gereiztheit, übermässiger Tagesmüdigkeit, Tages-Schläfrigkeit und pathologischer Einschlafneigung führen. In gravierenderen Fällen können sie sogar Angstzustände und Depressionen verursachen. Schlafstörungen stellen eine häufige Ursache für krankheitsbedingte Absenzen am Arbeitsplatz sowie für müdigkeitsbedingte Unfälle dar.

Bei der chronischen Insomnie persistieren die Symptome trotz günstiger Schlafbedingungen. Menschen mit dieser Störung leiden tagsüber unter einer Fatigue und fühlen sich auch oft in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Während Schlafdeprivation typischerweise zu übermässiger Schläfrigkeit mit pathologischer Einschlafneigung führt, kennzeichnet die Insomnie eine gesteigerte Wachheit. Selbst wenn sie sich erschöpft fühlen, fällt es den Betroffenen schwer, einzuschlafen.10

Chronische Insomnie: Definitionen und Diagnosesysteme

Aktuelle Diagnosesysteme wie das amerikanische «Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders» (DSM-5) und die 11. Auflage der «International Classification of Diseases» (ICD-11) definieren die Insomnie nicht mehr lediglich als Begleitsymptom anderer internistischer, neurologischer oder psychiatrischer Krankheiten, sondern als eigenständige diagnostische Entität.11,12 In der 2022 in Kraft getretenen ICD-11 führt die WHO Schlaf-Wach-Störungen erstmals als separates Kapitel auf und definiert die chronische Schlafstörung als eigenständige Erkrankung unter dem Namen «Chronische insomnische Störung» (7A00).12 Diese Klassifikation berücksichtigt aktuelle Erkenntnisse, die die insomnische Störung als Risikofaktor für das Entstehen anderer Krankheiten identifizieren, etwa Depressionen oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Eine komorbid vorliegende insomnische Störung stellt auch einen Risikofaktor für einen ungünstigeren Verlauf anderer Erkrankungen dar. Dass die chronische Insomnie als eigenständiges Krankheitsbild und nicht nur Begleitsymptom einer komorbiden Erkrankung (z.B. einer Depression) gesehen wird, zeigt sich auch daran, dass ihre Symptome oft bestehen bleiben, selbst wenn assoziierte körperliche oder psychische Erkrankungen therapiert und verbessert werden.13

Im ICD-10 werden organische und nichtorganische Insomnien separat betrachtet. Bei der organischen Insomnie wird davon ausgegangen, dass eine körperliche Erkrankung zugrunde liegt, welche die Schlafstörung bedingt. Diese Unterscheidung wird jedoch im ICD-11 aufgehoben, ähnlich wie bereits im DSM-5, da sich das klinische Erscheinungsbild und die aufrechterhaltenden Faktoren sowie die Therapieempfehlungen nicht unterscheiden. Oftmals ist zudem keine eindeutige körperliche Ursache für die Schlafstörung feststellbar, was eine exakte Diagnose und Differenzierung zwischen organischer und nichtorganischer Insomnie erschwert.2,11

Der DSM-5 unterscheidet nicht mehr zwischen primären und sekundären Insomnien. Stattdessen wird nur der allgemeine Begriff «Insomnische Störung» verwendet.11 Dies liegt daran, dass die Behandlung der «primären» Erkrankung oft nicht zur Linderung der Insomnie führt. Zudem kann die Insomnie anderen Störungen vorausgehen oder diese sogar überdauern. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine chronische Insomnie das Risiko verdoppelt, in den folgenden Jahren an einer Depression zu erkranken.14 Daher bietet der DSM-5 eine umfassendere Diagnose, um dem Status als Komorbidität anstatt Folge eines anderen Krankheitsfaktors gerecht zu werden.11

Gemäss Definition im ICD-11 besteht die Diagnose «Chronische insomnische Störung» (7A00), wenn Ein- oder Durchschlafstörung mit Beeinträchtigung am Tag mehrmals pro Woche für einen Verlauf von mindestens 3 Monaten auftreten.12 Für kürzere Zeiträume von Schlafstörungen ist im ICD-11 die «Kurzzeitige insomnische Störung» (7A01) definiert worden. Die Definition der chronischen Insomnie im DSM-5 ist dem im ICD-11 nahezu identisch (Tabelle 1).11

Tabelle 1
Tabelle 1.Diagnostische Kriterien der insomnischen Störung («insomnia disorder») «Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders» (DSM-5).11

Tabelle adaptiert nach Riemann et al. 2017.2

Ätiologie der Insomnie: Psychophysiologische Störungsmodelle

Weltweit setzen sich verschiedene Arbeitsgruppen mit den ätiologischen und pathophysiologischen Aspekten der Insomnie auseinander.2,15–22 Ein international weit anerkanntes Modell zur Erklärung der Insomnie ist in Abbildung 1 dargestellt.2 Es stützt sich auf das von Fachleuten bevorzugte 3-P-Modell von Spielman und Kollegen aus dem Jahr 1987 zur Entstehung und Chronifizierung der Insomnie.14

Gemäss diesem Modell kann Insomnie entstehen, wenn prädisponierende Faktoren, wie bestimmte Persönlichkeitseigenschaften (etwa hohe Ängstlichkeit oder Perfektionismus), mit auslösenden Faktoren (zum Beispiel akutem Stress wie einer bevorstehenden Prüfung) und aufrechterhaltenden Faktoren (z.B. lange Bettliegezeiten, Stress, unzureichende Schlafhygiene, verschärfende/dysfunktionale Gedanken bezüglich Schlaflosigkeit oder deren Folgen) zusammentreffen (Abbildung 1 und 2).

Das Konzept der chronischen Insomnie charakterisiert sich durch einen Teufelskreis, welcher Hyperarousal, Schlaflosigkeit und beeinträchtigtes Wohlbefinden tagsüber umfasst.

Akute Insomnien treten häufig auf und werden meistens durch berufliche oder private Stressoren ausgelöst. Sie sind oft temporär und lösen sich, sobald der Stressor eliminiert wird, häufig von selbst, sodass nicht zwingend eine Therapie erforderlich ist. Allerdings entwickelt sich bei rund zwei Dritteln der Betroffenen eine chronische Form der Insomnie, die eine therapeutische Intervention erfordert. Dies ist der Fall, weil die Schwierigkeiten mit dem Ein- und Durchschlafen persistieren, selbst wenn der ursprüngliche Auslöser nicht mehr vorhanden ist.

Für chronische Insomnien charakteristisch sind aufrechterhaltende Faktoren, oftmals in Form von Hyperarousal des autonomen Nervensystems.2,5

Zu diesen Faktoren zählen beispielsweise schlafhindernde Gedanken, eine konstante Fokussierung der Aufmerksamkeit auf den Schlaf und die potenziellen Tagesauswirkungen der Schlafstörungen sowie die antizipatorische Sorge, in der folgenden Nacht erneut nicht schlafen zu können.5 Dies resultiert in einer erhöhten physischen und mentalen Aktivierung. Um den Schlafmangel auszugleichen, wenden Betroffene häufig dysfunktionale Strategien an, wie das Verlängern der Liegezeiten, das Versuchen, am Wochenende Schlaf nachzuholen, oder das Halten von Tagschlaf. Diese Verhaltensweisen mindern jedoch den natürlichen Schlafdruck und erschweren das Ein- und Durchschlafen zusätzlich, was die Sorgen um den Schlaf noch weiter verstärkt.

Abbildung 1
Abbildung 1.Psychopathologisches Insomniemodell: prädisponierende (genetische, biologische, psychologische Faktoren), auslösende (Stressoren) sowie aufrechterhaltende (hyperarousal/behaviorale Adaptation) Faktoren und Konsequenzen der chronischen Insomnie.23

Abbildung aus Riemann et al. 2017.2

Abbildung 2
Abbildung 2.Mögliche Auslöser und aufrechterhaltende Faktoren der Insomnie.

Abbildung aus U. Carsten 2023.24

Insomnien weisen einen hohen Chronifizierungsgrad auf, mit einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von etwa 10 Jahren. Der Verlauf der Schlafstörung ist oft mit rezidivierender Einnahme von Hypnotika und zusätzlichen Abhängigkeitserkrankungen verbunden.2

Wissenschaftliche Studien haben die körperlichen und neuronalen Zusammenhänge von erhöhten kognitiven, emotionalen und physiologischen Erregungszuständen (Hyperarousal) im Kontext von prädisponierenden und aufrechterhaltenden Faktoren bei Insomnie beleuchtet.14 Gemäss dem Hyperarousal-Modell besteht bei chronischer Insomnie stetig eine Übererregung auf kognitiver, emotionaler und physiologischer Ebene.2,25–27 Beispielsweise weisen Insomniepatienten im non-REM-Schlaf eine erhöhte Anzahl an schnellen, wach-ähnlichen Hirnwellen (gesteigerter Anteil von schnellen EEG-Frequenzen) und im REM-Schlaf vermehrte Mikroarousals auf.2 Dies könnte die intensivierte Wahrnehmung des REM-Schlafs als Wachzustand bei diesen Patienten erklären.2,27 Die wachsende Erkenntnis legt nahe, dass sowohl das psychologische Hyperarousal als auch Schlaflosigkeit durch chronischen Stress ausgelöst werden. Neben diesem psychopathologischen Faktor wird angenommen, dass neuroendokrine Dysfunktionen die Schlaflosigkeit aufrechterhalten. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mit Insomnie eine erhöhte physiologische Aktivierung aufweisen, gekennzeichnet durch gesteigerte Kortisolausschüttung und erhöhte Orexin-Werte. Orexine sind Neuropeptide, die über Rezeptoren im ZNS die Wachheit fördern.28 Es könnte sich hierbei um eine neurobiologisch Vulnerabilität handeln.2 Mit der Zeit könnten zudem Veränderungen in den Hirnstrukturen auftreten.

Es bleibt unklar, ob das Hyperarousal als Ursache oder lediglich als Symptom der Insomnie zu betrachten ist.29

Obwohl auch gesunde Menschen während der Nacht wache Phasen erleben – diese aber in der Regel entweder nicht bemerken oder nicht als belastend empfinden, nehmen Patienten mit Insomnie diese Wachphasen als besonders störend wahr. Überraschend ist, dass die Gesamtschlafzeit von Insomniepatienten oft nicht signifikant von der von Gesunden abweicht. Lediglich bei schweren Insomnien ist tatsächlich auch eine verkürzte Gesamtschlafzeit festzustellen. Die Diskrepanz zwischen subjektivem Leiden und objektiver Schlafstörung legt nahe, dass bei Insomnie der Schlaf nicht quantitativ, sondern qualitativ gestört ist, so dass der tatsächliche Schlaf nicht als erholsam wahrgenommen wird.5

Weitere aufrechterhaltende Faktoren der Insomnie können unter anderem folgende sein:

Maladaptive Bewältigungsstrategien (Coping)

Patienten etablieren oft maladaptive Strategien, um den Schlafverlust zu kompensieren. Diese führen jedoch zur Reduktion des Schlafdrucks und damit zur Aufrechterhaltung der Insomnie.2

Konditionierung

Konditionierung kann sowohl als Initiator als auch als Faktor zur Aufrechterhaltung von Insomnie fungieren. In der Regel assoziieren Menschen das Schlafzimmer und insbesondere das Bett mit Schlaf und Entspannung. Wenn jedoch regelmässig andere Aktivitäten wie Nachdenken, Essen oder Fernsehen im Bett stattfinden, kann dieser positive Stimulus geschwächt werden. Das Bett kann dann sogar als Anreiz für Wachheit wahrgenommen werden.29

Kognitive Prozesse

Gedankenschleifen und anhaltende Sorgen spielen eine zentrale Rolle und zählen zu den starken aufrechterhaltenden Faktoren. Oft legen sich Betroffene am Abend ins Bett und können ihre Gedanken nicht beruhigen. Die resultierenden negativen Emotionen wie Frustration oder Sorgen können dazu führen, wodurch das Bett nach und nach mit einem aversiven Reiz verknüpft wird.2

Nicht-Einhaltung der Schlafhygiene

Die Nichtbeachtung grundlegender schlafhygienischer Regeln kann sowohl zur Entstehung als auch zur Fortdauer von Schlafstörungen beitragen (Tabelle 8).2,29

Neben den bereits erwähnten Faktoren, die zur Aufrechterhaltung der Insomnie beitragen, gibt es viele andere, die eine signifikante Rolle spielen können. Dazu gehören beispielsweise zirkadiane Faktoren, wie sie bei Menschen mit Schichtarbeit oder bei Demenzpatienten vorkommen.2

Diagnostik der Schlafstörungen

Schlafstörungen können vielfältige Ursachen haben und tendieren oft zur Chronifizierung. Häufig wird die chronische Insomnie zu spät diagnostiziert, was die Behandlung erheblich erschwert. Es ist daher von grosser Bedeutung, anhaltende und für den Betroffenen belastende Schlafstörungen frühzeitig zu untersuchen und zu behandeln. Ebenso ist es riskant, Insomnien ohne gründliche Diagnostik lediglich mit Medikamenten zu behandeln, die ein Abhängigkeitspotential bergen. Dies könnte die Behandlung in späteren Stadien erschweren, wenn zusätzlich zur Insomnie eine Medikamentenabhängigkeit behandelt werden muss. Angesichts der Komplexität und der zahlreichen möglichen Ursachen von Schlafstörungen empfiehlt es sich leitlinienkonform vorzugehen. In diesem Zusammenhang bietet die S3-Leitlinie «Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen» der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) einen fundierten, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Algorithmus für Diagnose und Therapie (Abbildung 3).2

Abbildung 3
Abbildung 3.Klinischer Algorithmus für das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei Ein- und Durchschlafstörungen.

Abbildung aus: Riemann et al. 2017.2

Die Diagnose einer chronischen Insomnie lässt sich oft bereits in der Hausarztpraxis durch eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung feststellen. Dabei sollte das Schlafverhalten durch eine detaillierte Schlafanamnese exploriert werden. (Tabelle 2).

Wesentliche zu klärende Fragen:

  1. Besteht ein adäquater Umgang mit Schlaf (Schlafhygiene)?

  2. Besteht eine Störung des zirkadianen Rhythmus (z.B. Schichtarbeit, Demenzerkrankungen)?

  3. Werden schlafstörende Substanzen, wie z.B. Medikamente oder Genussmittel, eingenommen?

  4. Ist der nicht erholsame Schlaf mit einer psychiatrischen und/oder organischen Erkrankung assoziiert?

Im DSM-5 erfolgte die Einführung des Überbegriffs «Schlaflosigkeit», wobei nicht länger eine Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Form vorgenommen wird. Dies reflektiert eine vertiefte Erkenntnis bezüglich der oft auftretenden Komorbidität Insomnie. Daher unterstreicht diese Anpassung die Notwendigkeit, sowohl die Schlafstörung als auch jede begleitende organische oder psychische Krankheit gleichzeitig zu behandeln.11,13 Eine umfassende somatische und psychiatrische Anamnese zu erstellen, ist dabei von essentieller Bedeutung.

Schlafstörungen, die durch organische oder psychische Erkrankungen bedingt sind, erfordern eine gewissenhafte Untersuchung und adäquate Behandlung. Eine Übersicht über die wichtigsten Erkrankungen, die Schlafstörungen induzieren können, ist in Tabelle 3 zu finden.2,30 Um gängige internistische Ursachen von Schlafstörungen bewerten zu können, sollten ebenso Labortests (Tabelle 2) durchgeführt werden.2,31

Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) empfiehlt zudem, über einen Zeitraum von etwa 14 Tagen Schlaftagebücher zu führen.

Tabelle 2
Tabelle 2.Diagnostisches Management der Insomnie für die Hausarztpraxis.

Modifiziert nach Wilt et al. 2016.30 Tabelle adaptiert nach Riemann et al. (2017).2

Tabelle 3
Tabelle 3.Wichtigste Komorbiditäten der Insomnie.

Modifiziert nach Wilt et al. 2016.30 Tabelle adaptiert nach Riemann et al. 2017.2

Eine interdisziplinäre Abklärung ist oft erforderlich.31 Eine der häufigsten Komorbiditäten der chronischen Insomnie sind affektive Erkrankungen, v.a. die Depression. Beide Erkrankungen bestehen sehr oft (> 90 %) zeitgleich (Tabelle 4).

Tabelle 4
Tabelle 4.Schlafstörungen bei psychischen Störungen.32

Tabelle adaptiert nach Riemann et al. 2017.2

Schlafstörungen stehen oft auch in Zusammenhang mit Angststörungen und Substanzmissbrauch. Besonders Alkohol wird oft im Sinne eines maladaptiven Behandlungsversuches in Eigenregie eingesetzt, was jedoch schlafbezogene Probleme durch eine alkoholbedingte Schlafstörung verstärkt. Es ist daher entscheidend, potenzielle komorbide Störungen zu evaluieren und eingenommene Medikamente auf mögliche schlafstörende Nebenwirkungen zu überprüfen. Zum Beispiel haben bestimmte Antidepressiva stimulierende Effekte, die Schlafstörungen fördern können.2 Die Substanzen, die zu Schlafstörungen führen können, sind zahlreich (Tabelle 5).

Tabelle 5
Tabelle 5.Schlafbezogene Nebenwirkungen von Medikamenten.13

(Liste nicht vollständig).

Es stehen diverse Fragebögen zur Verfügung, die speziell für die Diagnose und Bestimmung des Schweregrads von Schlafstörungen entwickelt wurden (Tabelle 6).

Tabelle 6
Tabelle 6.Diagnostische Instrumente zur Erfassung von Schlafstörungen.

Tabelle adaptiert nach Riemann et al. 2017.2

Die Diagnose einer Insomnie kann effektiv mit Hilfe des international anerkannten Fragebogens «Insomnia Severity Index» (ISI)33 oder der «Regensburger Insomnieskala»34 gestellt werden. Beide Instrumente erfassen insomnische Symptome inklusive der Tagesbefindlichkeit.

Der ISI hat sich bewährt, um den Schweregrad von Insomnien zu bestimmen. Er wird sowohl als Screening-Instrument als auch zur Bewertung von Therapieerfolgen verwendet. Der Fragebogen besteht aus 7 Items und beansprucht ca. 5 Minuten Zeit.

Der Pittsburgher Schlafqualitätsindex (PSQI) dient der schnellen Erfassung der subjektiven Schlafqualität, enthält jedoch keine spezifische Diagnostik für Insomnien. Er besteht aus 19 Fragen, die in etwa 10 Minuten beantwortet werden können. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der PSQI kein Instrument zur Diagnostik von Insomnien ist.2

Zur Beurteilung und Erfassung der Befindlichkeit und Schläfrigkeit im Tagesverlauf wird die Epworth Schläfrigkeitsskala herangezogen.35 Ein Wert von über 10 Punkten auf dieser Skala wird als pathologisch betrachtet und bedarf weiterer Untersuchungen.

Oftmals lässt sich eine gesteigerte Tagesschläfrigkeit mit organischen Störungen im Schlaf in Verbindung setzen. Hierunter fallen schlafbezogene Atemregulationsstörungen (beispielsweise obstruktive Schlafapnoe, OSAS) oder schlafbezogene Bewegungsstörungen (wie das periodische Beinbewegungssyndrom, PLMS) sowie Narkolepsie.

Die Diagnosekriterien für chronische Insomnie basieren hauptsächlich auf der subjektiven Beschreibung der Patienten. Daher gründet sich die Diagnose primär auf eine anamnestische Evaluation der Beschwerden. Die Diagnose der Insomnie wird daher rein klinisch anamnestisch gestellt und typischerweise ist eine Untersuchung im Schlaflabor nicht erforderlich für die Diagnosestellung. Sie kann jedoch nützlich sein, um wichtige Differenzialdiagnosen abzuklären.2 Hierbei steht insbesondere der Ausschluss von schlafbezogenen Atmungsstörungen (wie OSAS), schlafbezogenen Bewegungsstörungen (wie PLMS) und Parasomnien im Vordergrund.5 Bei langanhaltenden oder therapieresistenten Beschwerden kann eine Untersuchung in einem Schlafzentrum ratsam sein.

Hauptsächliche Indikationen für eine kardiorespiratorische Polygraphie oder Polysomnographie sind2:

  • Die therapierefraktäre Insomnie, d.h. die Anwesenheit einer Insomnie, die trotz umfangreicher Behandlungsversuche bestehen bleibt.

  • Nach umfassenden diagnostischen Untersuchungen, insbesondere wenn der Verdacht auf eine organische Ursache der Insomnie besteht, z.B. im Zusammenhang mit dem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom oder dem Syndrom periodischer Beinbewegungen.

  • Vorliegen einer Insomnie bei Personen in Verbindung mit Eigen- oder Fremdgefährdung, die aufgrund ihres Berufs besonderen Risiken ausgesetzt sind, z.B. bei Berufskraftfahrern oder Personen, die mit gefährlichen Maschinen arbeiten.

  • Bei einem Verdacht auf eine signifikante Diskrepanz zwischen der subjektiv wahrgenommenen Schwere der Schlafstörung und polysomnographischem Befund.

Es sollte beachtet werden, dass bei dem Versuch, Schlafstörungen beispielsweise mittels Aktigraphie oder Polysomnographie zu objektivieren, häufig festgestellt wird, dass die Gesamtschlafzeit nicht wesentlich verkürzt und die Wachzeit nur geringfügig verlängert ist.5

Es gibt derzeit keine Biomarker, die eine klinische Insomnie zuverlässig objektivieren können.5 Aktuelle Forschungsansätze untersuchen insbesondere Faktoren, die das Hyperarousal und Veränderungen im REM-Schlaf in Zusammenhang stehen könnten.5 Weiterhin gibt es Anzeichen dafür, dass bei chronischer Insomnie die Neuroplastizität während des Schlafs beeinträchtigt ist: Der im Serum gemessene Nervenwachstumsfaktor «brain-derived neurotrophic factor» (BDNF) zeigt verringerte Werte. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Abweichungen im REM-Schlaf mit Störungen in der emotionalen Gedächtnisverarbeitung korrelieren könnten.5,36

Therapieoptionen der chronisch insomnischen Störung

Behandlungsbedürftige Ein- und Durchschlafstörungen liegen vor, wenn Patienten eine deutliche Beeinträchtigung durch die Symptome wahrnehmen.13

Durch die oben genannten umfassenden Abklärungen lassen sich oft die prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren einer chronischen Insomnie herausarbeiten. Darauf basierend können dann zielgerichtete Therapiemassnahmen entwickelt werden:

Oftmals kann bereits eine gezielte Aufklärung über die Funktionsweise des Schlafs und das Verständnis der eigenen zirkadianen Rhythmik dazu beitragen, dass Patienten ihre Schlafqualität als weniger unzureichend empfinden.5,36 So ist es beispielsweise normal, dass ältere Menschen tendenziell kürzer schlafen und frühmorgens aufwachen («Lerchen»). Abendmenschen («Eulen») haben dagegen häufig Schwierigkeiten beim Einschlafen, besonders wenn sie sich selbst unter Druck setzen, früh schlafen zu müssen.5,36 Schichtarbeitende müssen gegen ihren inneren Rhythmus arbeiten.5,36 Ein fundiertes Verständnis dieser Faktoren kann bei vielen Patienten bereits zur Beruhigung beitragen, ihre Sorgen in Bezug auf den Schlaf mindern und somit die Angst reduzieren. Dadurch können maladaptive Coping-Strategien, Konditionierungsprozesse und ungünstige kognitive Prozesse in Bezug auf den Schlaf verringert werden.

Insomnische Symptome können durch Verhaltensweisen verursacht werden, die als inadäquate Schlafhygiene bezeichnet werden.5 Darunter versteht man Verhaltensweisen, die nicht vereinbar mit einem erholsamen Nachtschlaf sind, wie beispielsweise stark unregelmässige Schlafzeiten, übermässiger Koffeinkonsum oder Alkoholabsus. Diese Verhaltensweisen können mithilfe der Anamnese, Schlaftagebüchern oder Aktigraphie erkannt werden. Eine Anpassung des Verhaltens gemäss den Regeln guter Schlafhygiene (Tabelle 8) kann oft zu einer Verbesserung der Schlafqualität und damit zum Erfolg führen.5

Ebenfalls können störende Umweltfaktoren wie Lärm oder eine zu helle Schlafumgebung zur Insomnie beitragen. Auch der Bettpartner kann mit Ursachen wie Schnarchen zu Schlafstörungen beitragen. Therapeutisch kann schon der Wegfall dieser störenden Faktoren zur Wiederherstellung des normalen Schlafs ausreichend sein.5

Bei Störungen der zirkadianen Rhythmik hat der Patient Schwierigkeiten, zur gewünschten Zeit zu schlafen. Dies kann durch verschiedene Faktoren wie Jetlag, soziale Zeitgeber wie Nacht- und Schichtarbeit, dementielle Erkrankungen oder genetische Faktoren beeinflusst werden, wie es bei Patienten mit dem Syndrom der verzögerten Schlafphase der Fall ist.5 Solche zirkadianen Rhythmusstörungen können mithilfe einer Anamnese, eines Schlaftagebuchs oder in komplexen Fällen durch Aktigraphie oder Polysomnographie identifiziert werden.5 Das Ziel der Therapie ist es, die Schlafphasenlage zu korrigieren und zu stabilisieren. Dies kann durch die Verstärkung externer Zeitgeber wie Aktivität, soziale Interaktion und Lichtexposition sowie gegebenenfalls durch Medikamente wie Hypnotika, Antidepressiva, Melatonin oder Stimulanzien erreicht werden.5

Des Weiteren können zahlreiche Medikamente Schlafstörungen als Nebenwirkung haben (Tabelle 5). Bei einem entsprechenden Verdacht sollte in therapeutischer Hinsicht erwogen werden, das Medikament abzusetzen oder auf eine andere Substanzklasse umzustellen. Viele Hypnotika bergen das Risiko einer Abhängigkeit, die wiederum Schlafstörungen verursachen oder aufrechterhalten kann. Bei Missbrauch oder Abhängigkeit können Methoden der Entzugsbehandlung notwendig werden.5

Bei Schlafstörungen sollte stets in Betracht gezogen werden, dass eine zugrundeliegende psychiatrische Erkrankung vorliegen könnte. Schlafbeeinträchtigungen können bei einer Vielzahl von psychiatrischen Krankheiten auftreten und oft als frühes Anzeichen fungieren.37,38 Tabelle 7 bietet einen Überblick über typische Schlafstörungen in Verbindung mit verschiedenen psychischen Krankheiten. Insbesondere bei affektiven Erkrankungen (v.a. Depressionen) treten Ein- und Durchschlafstörungen oft als frühe Begleitsymptome auf, können aber auch der Erkrankung als Risikofaktor bereits Jahre vorausgehen. Bei depressiven Patienten zeigt die Polysomnographie häufig einen erhöhten REM-Schlafdruck.5 Schlafstörungen sind auch bei Patienten mit Angstzuständen verbreitet und neigen hier zur Chronifizierung.5 Zudem können Schlafprobleme als Vorboten von psychotischen Episoden auftreten und selbst nach Abklingen der Symptomatik bestehen bleiben5 Die Haupttherapie bei Schlafstörungen infolge psychiatrischer Erkrankungen liegt in der Behandlung der Grunderkrankung.5 Dennoch kann eine gezielte Therapie der Insomnie den Heilungsprozess der zugrundeliegenden psychischen Erkrankung unterstützen.5

Tabelle 7
Tabelle 7.Veränderungen polysomnographischer Parameter bei untersuchten psychischen Störungen.37

Tabelle adaptiert nach Mikoteit and Hatzinger 2021.5

Bei organischen Erkrankungen, die Schlafstörungen hervorrufen, handelt es sich überwiegend um internistische oder neurologische Ursachen. Zu den geläufigsten schlafmedizinischen organischen Krankheiten zählen die schlafbezogenen Atemregulationsstörungen, insbesondere das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Vor allem Männer und ältere Menschen sind hiervon betroffen. Bei Erwachsenen zwischen 30 und 60 Jahren liegt die Prävalenz von therapierelevanten Fällen bei 2 bis 4 %, wobei dieser Wert mit steigendem Alter zunimmt.39 Das OSAS zeichnet sich durch periodisch wiederkehrende pharyngeale Obstruktionen während des Schlafs aus. Diese führen zu Herzfrequenzerhöhungen, einem Abfall des Sauerstoffgehalts im Blut sowie einem negativen intrathorakalen Druck mit daraus resultierenden Weckreaktionen (Arousals).40 Typische klinische Symptome sind übermässige Tagesschläfrigkeit, Schnarchen, fremdanamnetisch beobachtete Atemstillstände, nächtliches Schwitzen, Nykturie, Xerostomie sowie häufiges Aufwachen in der Nacht. Es können jedoch viele weitere Symptome auftreten. Durch den fragmentierten, nicht erholsamen Schlaf und die tagsüber auftretende Müdigkeit kann das Krankheitsbild einer Insomnie ähneln, weshalb es eine bedeutende Differenzialdiagnose darstellt. Die Hauptfaktoren, die das Risiko für OSAS erhöhen, sind Übergewicht und weitere mechanische Obstruktionen des Oropharynx.

Das Spektrum potenzieller Behandlungsoptionen für das OSAS ist vielfältig und beinhaltet Verhaltensanpassungen, wie etwa eine Gewichtsreduktion und das Vermeiden von Alkohol und Hypnotika. Des Weiteren zählt der Einsatz von Geräten dazu, die der Reduktion von pharyngealen Obstruktionen dienen, wie beispielsweise die CPAP-Therapie oder eine Unterkieferprotrusionsschiene. Auch chirurgische Interventionen, etwa die Laser-Uvulopalatoplastik oder Uvulektomie-Palatinopharyngoplastik sowie die Hypoglossus-Neurostimulation, kommen in Betracht. Zudem existieren zusätzliche Therapiealternativen, unter anderem Lagerungstherapien oder das Training der Rachenmuskulatur, etwa durch das Erlernen von Zirkuläratmung mittels medical Didgeridoo-Training. Im Allgemeinen gelten Medikamente nicht als wirkungsvolle Therapie für OSAS.

Das zentrale Schlafapnoesyndrom ist gekennzeichnet durch einen repetitiven Atemstillstand, verursacht durch das Ausbleiben von Atemanstrengungen während des Schlafs, oft gepaart mit Desaturationen. Die Symptome ähneln denen des OSAS. Die Pathogenese ist heterogen. Oft manifestiert sich das Syndrom in Form einer periodischen Atmung bei Patienten mit zerebralen und/oder kardiovaskulären Insuffizienzen. Zur Diagnosestellung der schlafbezogenen Atmungsstörungen dient eine kardiorespiratorische Polygraphie oder kardiorespiratorische Polysomnographie.

Beim Restless-Legs-Syndrom (RLS) leiden Betroffene unter unangenehmen Empfindungen in den Beinen, begleitet von einem starken Bewegungsdrang. Die Symptome lindern sich bei Bewegung und treten besonders am Abend und in der ersten Nachthälfte auf. In der Allgemeinbevölkerung weisen 5 bis 10 % diese Symptomatik auf. Bei der Periodic Limb Movement Disorder (PLMS) treten Beinbewegungen während des Schlafs auf, die von den Patienten meist nicht bemerkt werden. Beide Zustände können den Schlaf stören. Abgesehen von der idiopathischen Form können RLS und PLMS sekundär infolge von Eisenmangel, schwerer Niereninsuffizienz, Morbus Parkinson und anderen Krankheiten auftreten. Zudem können sie Nebenwirkungen einer Pharmakotherapie sein, zum Beispiel mit Antidepressiva.5

Die Diagnose für RLS und PLMS stützt sich in erster Linie auf klinische Kriterien. Ergänzende Untersuchungen, wie Elektromyographie und Elektroneurographie, können beispielsweise zur Ausschlussdiagnostik von Polyneuropathien erforderlich sein. Darüber hinaus sollte eine Labordiagnostik erfolgen, um einen Eisenmangel oder eine Niereninsuffizienz abzuklären. Eine Polysomnographie kann PLMS sowie daraus resultierende Arousalreaktionen nachweisen.

Bezüglich RLS und PLMS existiert bisher keine ursächliche Therapie. Erkannte prädisponierende Faktoren wie Eisenmangel oder Niereninsuffizienz sollten adäquat therapiert werden. In der medikamentösen Therapie haben sich dopaminerge Substanzen als Therapie der ersten Wahl bewährt. Hierbei ist zu beachten, dass Dopaminagonisten in einer deutlich geringeren Dosierung als bei der Parkinsontherapie eingesetzt werden.

Parasomnien manifestieren sich durch ungewöhnliche Verhaltensweisen während des Schlafs oder beim Übergang zwischen Schlafen und Wachen. Dazu zählen Aufwachstörungen wie Schlaftrunkenheit, Schlafwandeln und Pavor nocturnus, aber auch Bruxismus (Zähneknirschen) sowie REM-Schlaf-bezogene Parasomnien wie Schlaflähmungen und Verhaltensstörungen im REM-Schlaf. Insbesondere bei rhythmisch wiederkehrenden motorischen Phänomenen während des Schlafs sollte differenzialdiagnostisch eine im Schlaf auftretende Epilepsie in Betracht gezogen werden.5

Bei der Behandlung einer chronischen Insomnie reicht es aber oftmals nicht aus, lediglich die ursächlichen oder aggravierenden Faktoren zu behandeln oder eine komorbide Erkrankung, sei es organisch oder psychisch, zu therapieren. Selbst nach adäquater Behandlung kann die chronische Insomnie in vielen Fällen fortbestehen.13 In einigen Fällen sind keine klaren ursächlichen Faktoren oder komorbide Erkrankungen zu identifizieren.

Die Anerkennung der Insomnie als eigenständige Krankheitsentität legt nahe, dass eine gezielte Therapie dieser erforderlich ist. Auch bei komorbidem Auftreten sollte die Insomnie mit Insomnie-spezifischen Interventionen behandelt werden.31

Unabhängig davon, ob die Insomnie organische oder nichtorganische Ursachen hat, basiert ihre gezielte Therapie auf denselben Prinzipien. Daher gelten die nachfolgenden Therapieempfehlungen für beide Entitäten.

Die Behandlung von Insomnie sollte sich an einem Stufenschema orientieren, wobei der Fokus zunächst auf nicht-medikamentösen Interventionen liegen sollte.41,42

Die Grundpfeiler der nicht-medikamentösen Therapie der Insomnie umfassen Psychoedukation sowie psychotherapeutische bzw. verhaltenstherapeutische Ansätze.5

Im Rahmen der Psychoedukation steht die Informationsvermittlung bzw. Aufklärung über schlafinkompatible Verhaltensweisen im Vordergrund, mit dem Ziel, diese zu erkennen und zu ändern. Viele dieser Verhaltensweisen entstehen durch vergebliche Versuche der Patienten, ihre innere Anspannung zu reduzieren und können als Symptom der zugrunde liegenden psychischen Störung betrachtet werden.5 Die Patienten erhalten fundierte Kenntnisse über Schlaf und die Regeln der Schlafhygiene (Tabelle 8).5 Dies befähigt sie, ihre eigenen Schlafgewohnheiten und -muster besser zu verstehen. Durch die Psychoedukation zu Schlaf und Schlafstörungen wird zudem ein solides Fundament geschaffen, auf dem Patienten den Nutzen verhaltenstherapeutischer Strategien, wie beispielsweise Ansätze zur Strukturierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, besser nachvollziehen können.2

Tabelle 8
Tabelle 8.Schlafhygienische Massnahmen.43

Kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I)

Bei den psychotherapeutischen bzw. verhaltenstherapeutischen Massnahmen von Insomnie steht insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I) im Mittelpunkt.41 Als Behandlungsmethode der ersten Wahl sollte die KVT-I allen Patienten mit Insomnie vorgeschlagen werden. Speziell für die Insomnie entwickelt, besteht diese Therapieform aus mehreren Komponenten. Typischerweise wird die KVT-I von einem klinisch erfahrenen Therapeuten über einen Zeitraum von vier bis acht Sitzungen, die jeweils etwa 30 Minuten dauern, durchgeführt.2 Europäische und amerikanische Richtlinien heben die KVT-I als bevorzugte Therapie bzw. die Therapie der Wahl für chronische Insomnie bei Erwachsenen hervor.

Die KVT-I ist für Erwachsene aller Altersgruppen konzipiert und aufgrund ihrer nachhaltigen therapeutischen Effekte einer medikamentösen Behandlung vorzuziehen. Medikamente sollten in Erwägung gezogen werden, wenn eine KVT-I nicht verfügbar ist oder keinen Erfolg zeigt.5 Die KVT-I setzt sich aus mehreren Modulen zusammen, darunter Psychoedukation, Techniken zur Strukturierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, kognitive Ansätze zur Überprüfung und Korrektur dysfunktionaler Überzeugungen und Verhaltensweisen bezüglich des Schlafs (z. B. nächtliches Grübeln) (Tabelle 9). Hinzu kommen Entspannungstechniken und als zentrales Element die Bettzeit-Restriktion.2,13

Tabelle 9
Tabelle 9.Elemente der psychotherapeutischen und verhaltenstherapeutischen Intervention bei Insomnie durch kognitive verhaltenstherapie bei insomnie (KVT-I).

Tabelle adaptiert nach Riemann et al. 2017.2

Im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) ist die Aufklärung über den natürlichen Schlafzyklus und altersbedingte Änderungen des Schlafverhaltens von zentraler Bedeutung.44 Bei Insomnie-Patienten zeigt sich oft eine erhöhte psychophysiologische Anspannung, die sich kognitiv, emotional und auf vegetativer Ebene manifestiert. Das übergeordnete Ziel der Therapie ist es, im Schlafkontext auf all diesen Ebenen Entspannung zu fördern.5 Kognitiv manifestiert sich die Anspannung oft in intensivem Grübeln und dysfunktionalen Glaubenssätzen über den Schlaf. Patienten konzentrieren sich häufig auf ihre Schwierigkeiten, einzuschlafen.5 Diese kognitiven Belastungen können emotional zu vermehrtem Stress und auf vegetativer Ebene zu Symptomen wie motorischer Unruhe, Herzklopfen und Schwitzen führen.5

Ein zentrales Element der Therapie ist das Durchbrechen des sogenannten «Insomnie-Teufelskreises».2,5 In diesem Zyklus intensivieren Schlafprobleme das nächtliche Grübeln und die damit einhergehende Angst vor den Auswirkungen des Schlafmangels, was wiederum die Schlafprobleme verschärft. Es ist entscheidend, diesen Kreislauf gemeinsam mit dem Patienten zu erkennen und zu durchbrechen.

Stimuluskontrolle

Ein Ansatz zur Strukturierung des Schlaf-Wach-Rhythmus ist die Stimuluskontrolle (Tabelle 10). Hierbei geht es darum, die negative Assoziation zwischen dem Schlafbereich und dem Wachzustand, die sich bei chronischer Insomnie entwickeln kann, zu unterbrechen. Denn oft verbinden Betroffene ihre Schlafumgebung bzw. ihr Bett mit Wachsein, da sie darin lange wachliegen, grübeln oder sogar arbeiten und fernsehen. Die Stimuluskontrolle zielt darauf ab, das Bett und die Schlafumgebung wieder ausschliesslich mit Entspannung und Schlaf zu assoziieren.2

Tabelle 10
Tabelle 10.Instruktionen zur Stimuluskontrolle.

Tabelle adaptiert nach Riemann et al. 2017.2

Bettzeitrestriktion

Die Bettzeitrestriktion verfolgt das Ziel, durch eine Begrenzung der Zeit im Bett und das Vermeiden von Tagschlaf den Schlafdruck zu steigern. Dadurch sollen Ein- und Durchschlafprobleme reduziert werden.2 Anhand eines Schlaftagebuchs, einer Aktigraphie oder Polysomnographie lässt sich die tatsächliche Schlafdauer feststellen. Auf dieser Basis wird dem Patienten eine Zeit im Bett vorgegeben, die etwas kürzer als die festgestellte Schlafdauer ist, jedoch nicht unter fünf Stunden liegt.2 Der Ansatz der Bettzeitrestriktion zielt darauf ab, den Schlaf in folgenden Punkten zu optimieren:

  1. Durch die Restriktion steigen die Schläfrigkeit und der Schlafdruck, wodurch Patienten in der Regel rascher ein- und durchschlafen. Die mit Schlafproblemen verbundenen negativen Assoziationen werden gemindert und das Bett wird wieder primär mit Schlaf in Verbindung gebracht, anstatt mit ständigem drehen und wälzen, ohne einzuschlafen.

  2. Es wird ein strikter Schlaf-Wach-Plan erlernt und eingehalten, der ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Schlafhygiene ist.

Nachdem sich der Patient an die vorgegebene Schlafzeit gewöhnt hat und durchgängig schläft, wird die Effektivität dieser Methode nach etwa einer Woche bewertet. Wenn die Schlafeffizienz über 85 % liegt, kann die Zeit im Bett schrittweise um etwa 30 Minuten verlängert werden.2 So wird die Schlafdauer allmählich angepasst, bis die für den Patienten optimale Schlafdauer gefunden ist.

Während der ersten Phase der Schlafrestriktionstherapie können Patienten tagsüber erhöhte Müdigkeit und Schläfrigkeit verspüren. In dieser Zeit sollten sie Aktivitäten, die ein hohes Mass an Aufmerksamkeit erfordern, wie z. B. das Fahren eines Autos oder andere anspruchsvolle berufliche Tätigkeiten, nicht nachgehen.

Innerhalb der KVT-I werden Patienten auch verschiedene Entspannungstechniken vorgestellt, um das Einschlafen am Abend zu erleichtern. Dazu zählen sowohl physische Techniken wie die progressive Muskelrelaxation als auch mentale Ansätze wie Phantasiereisen, Achtsamkeitstechniken oder die Visualisierung beruhigender Bilder.2

Die KVT-I stellt eine effektive Methode dar, um den Schlaf ohne Nebenwirkungen zu verbessern. Es gibt auch Belege dafür, dass die KVT-I bei Hypnotika-Ausschleichversuchen hilfreich sein.45 Umfangreiche Metaanalysen haben gezeigt, dass die KVT-I bei Insomnie eine moderate bis hohe Wirksamkeit aufweist und ihre positiven Effekte auch über den eigentlichen Behandlungszeitraum hinaus anhalten können.2,45–56 Dies trifft sowohl für Einzel- als auch für Gruppentherapien zu. Besonders bemerkenswert sind Studien, die zeigen, dass die KVT-I auch bei Patienten mit komorbiden Erkrankungen erfolgreich eingesetzt werden kann, wobei häufig sowohl die Schlafprobleme als auch die komorbide Erkrankung verbessert werden.2

Trotz der über 20-jährigen Existenz der KVT-I und ihrer Überlegenheit gegenüber Hypnotika in Bezug auf Langzeitwirkung und Sicherheit wird sie in der klinischen Praxis nur selten eingesetzt. Die Empfehlungen der Leitlinien, die KVT-I als primäres, wirksames und relativ einfach durchzuführendes Verfahren vorzusehen, werden häufig nicht befolgt. Stattdessen greifen Mediziner oft zu Medikamenten oder verweisen Patienten an Schlaflabore. Einige der Gründe könnten der vergleichsweise höhere Zeitaufwand der KVT-I, ein Mangel an Therapieplätzen sowie eine unzureichende Kenntnis nicht-pharmakologischer Behandlungsansätze sein.2

Aktuell bemühen sich viele Länder darum, die Anwendung und Verbreitung der KVT-I zu intensivieren. Eine verstärkte Implementierung könnte dazu beitragen, die derzeitige Überverschreibung von Schlafmitteln zu reduzieren.

Obwohl die KVT-I in vielen Fällen mit einer Erfolgsquote von 75 % das Befinden der Patienten deutlich verbessert, gibt es dennoch Patienten, die nicht ausreichend davon profitieren. Häufig verbessert sich der Schlaf zwar gut, die allgemeine Tagesbefindlichkeit manchmal jedoch nicht ausreichend.5

In solchen Situationen kann die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) sowohl als Alternative als auch als Ergänzung hilfreich sein. Die ACT beinhaltet Achtsamkeitsübungen und lehrt den Umgang mit negativen Gefühlen. Darüber hinaus hilft sie Patienten, ihre persönlichen Werte und Ziele zu definieren und zu verfolgen, was unabhängig vom Schlafzustand zu einer verbesserten Tagesbefindlichkeit beitragen kann.5

In manchen, insbesondere therapierefraktären Fällen, kann die Durchführung einer stationären psychosomatischen Rehabilitation die Symptomatik lindern. Oftmals bewirkt bereits die Veränderung des Schlafumfelds eine positive Resonanz. Innerhalb der stationären Behandlung erfahren die Patienten eine intensive Schulung in den Elementen der KVT-I, ergänzt durch zusätzliche Massnahmen zur Schlafförderung, wie Bewegungstherapien, Ansätze zur Harmonisierung des zirkadianen Rhythmus und die Etablierung einer festen Tagesstruktur. In Zusammenarbeit mit einem Zentrum für Chronobiologie kann zudem eine tiefgreifende chronomedizinische Abklärung stattfinden, bei der Aspekte wie Schichtarbeit, Chronotyp und Lichtexposition berücksichtigt werden. Die Bettzeitrestriktion kann im stationären Rahmen oft effizienter umgesetzt werden, da sie, obwohl ambulant sehr wirksam, für den Patienten belastend sein kann.

Medikamentöse Therapie der chronischen Insomnie

Eine medikamentöse Therapie sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn die KVT-I nicht erfolgreich war oder nicht zugänglich ist.2,13 In Fällen, in denen eine erhöhte physiologische Aktivierung (Hyperarousal) vorliegt, kann eine temporäre Hypnotikatherapie notwendig sein, um den Patienten für die KVT-I vorzubereiten – idealerweise nur als vorübergehende Massnahme, bis nicht-medikamentöse Therapien wirksam werden.

In der Langzeitbehandlung ist die medikamentöse Therapie der Insomnie obsolet, insbesondere aufgrund des Abhängigkeits- und Gewöhnungspotenzials von Hypnotika.2

Hypnotika sollten zudem nie isoliert, sondern immer im Kontext psycho- bzw. verhaltenstherapeutischer Massnahmen verabreicht werden, um Risiken wie Programmierung, Abhängigkeit und Aufrechterhaltung der Insomnie zu minimieren.

Falls dennoch eine Hypnotikatherapie notwendig wird, sollte diese so kurz wie möglich andauern. Aktuell existiert kein ideales Hypnotikum, das alle gewünschten Kriterien – wie einen spezifischen Wirkmechanismus, fehlendes Suchtpotential und gute Verträglichkeit – erfüllt.2,57,58

Benzodiazepine und Benzodiazepinrezeptoragonisten

Benzodiazepine und Benzodiazepinrezeptoragonisten (Z-Substanzen) stellen die am besten untersuchten Wirkstoffe bei der Behandlung von Insomnie dar. Bei kurzzeitiger Anwendung (3–4 Wochen) zeigen sie sich effektiv in der Behandlung von Insomnien.2 Sie bewirken signifikante positive Veränderungen sowohl bei subjektiven als auch bei polysomnographischen Schlafparametern. Allerdings können sie auch unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen.59–61 Besonders das Abhängigkeitspotenzial dieser Medikamente steht ausser Frage.62 Daher wird von einer Langzeittherapie der Insomnie mit diesen Mitteln abgeraten.2 Weiterhin neigen Benzodiazepine zu Hangover-Effekten, die vor allem morgens die Leistungsfähigkeit, Arbeitsfähigkeit, Fahrtüchtigkeit und auch die psychosoziale Interaktionsfähigkeit beeinträchtigen können.2,62

Im Gegensatz dazu sind diese Hangover-Effekte bei Benzodiazepinrezeptoragonisten weniger ausgeprägt, da sie eine kürzere Halbwertszeit aufweisen. Sie neigen jedoch zu rascheren Toleranz-, Rebound- und Abhängigkeitseffekten.63,64 Eine Studie von Sun et al. analysierte das Suizidrisiko in Zusammenhang mit Zolpidem-Exposition. Dabei wurden 2199 Personen untersucht, die zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 31. Dezember 2011 einen Suizid/Suizidversuch unternahmen. Es konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einnahme von Zolpidem und dem Risiko für Suizid oder Suizidversuche festgestellt werden.65

Eine neuere Studie hat jedoch aufgezeigt, dass das Risiko für Suizide unmittelbar vor der Verschreibung der Z-Substanz Zolpidem am grössten war und mit fortschreitender Einnahmezeit abnahm.66 Demzufolge könnten eher die Schlafstörungen selbst als die Behandlung mit Zolpidem für das erhöhte Suizidrisiko verantwortlich sein.

Wenn solche Hypnotika abgesetzt werden, tritt häufig die Insomnie erneut auf (Insomnie-Rebound). Gemäss der S3-Leitlinie «Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen» der DGSM weisen Studien darauf hin, dass bei einer Medikation über einen längeren Zeitraum (mindestens zwölf Wochen) die positiven Effekte von Hypnotika nachlassen, während das Risiko einer körperlichen Gewöhnung mit zunehmender Dauer der Anwendung steigt.2

Im Dezember 2022 wurde Daridorexant, ein dualer Orexin-Rezeptor-Antagonist (DORA), in der Schweiz als innovativer medikamentöser Wirkansatz zur Behandlung von Erwachsenen mit Schlafstörungen (Insomnie) zugelassen, wenn die Schlafstörungen seit mindestens 3 Monaten bestehen und einen beträchtlichen Einfluss auf die Tagesaktivität haben. Daridorexant reiht sich neben Lemborexant und Suvorexant als die dritte weltweit zugelassene Substanz dieser Klasse ein, welche zur Marktreife gelangt ist. Dabei handelt es sich bei Daridorexant um den ersten Vertreter dieser Wirkstoffklasse in Europa. Die Zulassung durch die EMA erfolgte bereits im Mai 2022 und seit Juni 2023 ist das Medikament in der Schweiz verfügbar.

Eine Überaktivität des Wachzentrums, auch als Hyperarousal bezeichnet, kann der Auslöser für eine chronische Insomnie sein. Untersuchungen haben gezeigt, dass Gehirnregionen, welche mit Wachheit assoziiert sind, bei Patienten mit chronischer Insomnie während des Schlafens aktiver bleiben.16,67 Das Orexin-System spielt in dieser Pathophysiologie eine zentrale Rolle.28,68,69 Orexine sind Neuropeptide, die im Hypothalamus gebildet werden. Durch ihre Bindung an Orexin-Rezeptoren im zentralen Nervensystem (ZNS) fördern sie die Wachheit.28 Normalerweise oszillieren die endogenen Orexin-Spiegel: Tagsüber erhöht sich die Konzentration, was die Wachheit fördert, während sie nachts in der Regel abnimmt.70 Die Regulation der Wachheit erfolgt durch das aufsteigende Erregungssystem (Abbildung 4). Tagsüber führt die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter durch das Grosshirnrinden-System zu Wachheit.71 Orexin trägt dazu bei, die Wachheit aufrechtzuerhalten, indem es das aufsteigende Erregungssystem verstärkt.71,72

Abbildung 4
Abbildung 4.Signalwege zur Stabilisierung der Wachheit.

5-HT, Serotonin; AES, Aufsteigendes Erregungssystem; Ach, Acetylcholin; DA: Dopamin; HA, Histamin; NA, Noradrenalin; ORX, Orexin. Abbildung aus: Coliquio 2022.73

Die nächtliche Hemmung des aufsteigenden Erregungssystems mittels Neurotransmittern des ventrolateralen präoptischen Kerns wirkt schlaffördernd (Abbildung 5).14 Beim Übergang zum Schlaf reduziert sich in der Regel die Freisetzung von Orexin, wodurch die Aktivierung des aufsteigenden Erregungssystems vermindert wird. Dies fördert den Schlaf.71

Abbildung 5
Abbildung 5.Signalwege mit schlaffördernden Strukturen.

5-HT, Serotonin; AES, Aufsteigendes Erregungssystem; Ach, Acetylcholin; DA, Dopamin; GABA, Gammaaminobuttersäure; GAL, Galanin; HA, Histamin; NA, Noradrenalin; ORX, Orexin. Abbildung adaptiert nach Coliquio 2022.73

Wenn die Aktivität der Wachheitsareale beim Übergang von Wachheit zu Schlaf nicht nachlässt, führt dies zu Schlaflosigkeit (Abbildung 6).26 Eine übermässige Wachheit im Gehirn kann durch eine gesteigerte Aktivität des Orexin-Systems und durch erhöhte Orexin-Spiegel bedingt sein, wodurch das aufsteigende Erregungssystem aktiviert bleibt.14,26,72

Abbildung 6
Abbildung 6.Erregungswege bei Chronischer Insomnischer Störung.

5-HT, Serotonin; AES, Aufsteigendes Erregungssystem; Ach, Acetylcholin; DA, Dopamin; GABA, Gammaaminobuttersäure; GAL, Galanin; HA, Histamin; NA, Noradrenalin; ORX, Orexin. Abbildung aus: Coliquio 2022.73

Daridorexant

Daridorexant greift gezielt in das überaktive Wach-System ein. Als Antagonist der beiden Orexin-Rezeptoren (OX1R und OX2R) verringert es dabei die Weckreize (Abbildung 7).69 Dies mindert die Aktivierung des aufsteigenden Erregungssystems und begünstigt somit den Schlaf.72 Das Besondere an Daridorexant ist sein spezifischer Wirkmechanismus: Er verringert die übermässige Wachheit, ohne den Schlaf mittels Sedierung zu induzieren.69

Abbildung 7
Abbildung 7.Wirkweise von Daridorexant.

5-HT, Serotonin; AES, Aufsteigendes Erregungssystem; Ach, Acetylcholin; DA, Dopamin; GABA, Gammaaminobuttersäure; GAL, Galanin; HA, Histamin; NA, Noradrenalin; ORX, Orexin. Abbildung aus: Coliquio 2022.73

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Daridorexant wurden in zwei multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien mit Placebo-Kontrolle mit 1800 Teilnehmern untersucht.69 Als primäre Endpunkte wurden mittels Polysomnographie die Veränderungen in der Gesamtdauer der Wachphasen nach Schlafbeginn (Wake After Sleep Onset, WASO) und der Einschlaflatenz (Latency to Persistent Sleep, LPS) gegenüber den Ausgangswerten in den Monaten 1 und 3 definiert.69 Die Ergebnisse zeigten, dass Daridorexant das Einschlafen beschleunigt, Wachzeiten reduziert und die Gesamtschlafdauer verlängert.69 Konkret schliefen die Patienten etwa 30 Minuten schneller ein (Abbildung 8) und verbrachten nach dem Einschlafen rund 30 Minuten weniger im Wachzustand (Abbildung 9). In Monat 3 verzeichneten die Patienten im Vergleich zu den Ausgangswerten ungefähr eine zusätzliche Stunde Schlaf pro Nacht. Daridorexant reduziert somit die nächtliche Wachheit und fördert das Einschlafen, ohne die Schlafphasen zu beeinflussen.74

Abbildung 8
Abbildung 8.Daridorexant – primärer Endpunkt: Einschlaflatenz.

Unterschied im Monat 1 und 3 im Vergleich zum Ausgangswert.69 Abbildung aus: Spielmanns 2023.75

Abbildung 9
Abbildung 9.Daridorexant – primärer Endpunkt: Gesamtdauer der Wachphasen nach Schlafbeginn.

Unterschied im Monat 1 und 3 im Vergleich zum Ausgangswert.69 Abbildung aus: Spielmanns (2023).75

Daridorexant steigert nicht nur die Tagesaktivität, indem es die Müdigkeit reduziert und für mehr Energie am darauffolgenden Tag sorgt, sondern zeigt auch positive Auswirkungen auf die Symptome in den Bereichen Stimmung, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, wie in Abbildung 10 dargestellt.69

Abbildung 10
Abbildung 10.Daridorexant. Sekundärer Endpunkt: IDSIQ Schläfrigkeits-Score.

Unterschied im Monat 1 und 3 im Vergleich zum Ausgangswert.69 Abbildung modifiziert nach Spielmanns (2023).75

Obwohl der Einsatz von Daridorexant so kurz wie möglich gehalten werden sollte, besteht bei regelmässiger Überprüfung keine Begrenzung der Behandlungsdauer. Die Notwendigkeit einer fortgesetzten Behandlung sollte nach drei Monaten und danach in regelmässigen Abständen neu bewertet werden.76 Die Behandlung kann ohne Reduktion der zuletzt verabreichten Dosis abgesetzt werden.76

In klinischen Studien zeigte Daridorexant ein geringeres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu Benzodiazepinen. Es ergaben sich keine Hinweise auf eine Toleranzentwicklung und selbst bei kontinuierlicher Anwendung über 12 Monate keine Anzeichen von Rebound-Insomnie oder körperlicher Abhängigkeit nach dem Absetzen. Das deutet darauf hin, dass dieses Medikament anderen Hypnotika überlegen sein könnte.69,74,77 In den bisherigen Studien war das Nebenwirkungsprofil vergleichbar mit Placebo. Daridorexant wurde gut toleriert und erwies sich als sicher in der Behandlung von Erwachsenen, einschliesslich der Subgruppe der Patienten über 65 Jahre.

Eine in diesem Jahr veröffentlichte Verlängerungsstudie erhob zusätzlich Langzeitdaten über weitere 40 Wochen, wobei sich die subjektive Gesamtschlafdauer (sTST, gemessen mittels Schlaftagebuch) sowie die Tagesaktivität (gemessen mittels IDSIQ [Insomnia Daytime Symptoms and Impacts Questionnaire]) anhaltend verbesserte (Abbildung 11).74

Abbildung 11
Abbildung 11.Daridorexant-Langzeitdaten über 52 Wochen – Links: Mittlere Veränderung der subjektiven Gesamtschlafdauer sTST (Minuten) im Vergleich zum Ausgangswert.

Mittlere Veränderung der Tagesaktivität (IDSIQ-Gesamtscore) im Vergleich zum Ausgangswert; Daridorexant 50 mg (pink); Placebo (grau). RO, Run-out; sTST, self-reported total sleep time. Abbildung modifiziert nach Kunz (2022).74

Die Therapie mittels Daridorexant ist allerdings nicht unumstritten: Experten äussern keine Kritik an der Wirksamkeit per se, identifizieren jedoch Schwächen in den eingereichten Daten. Die Studien schlossen Personen aus, die innerhalb eines Monats vor Studienbeginn eine KVT-I erhielten. Ebenso war eine KVT während der Studie nicht erlaubt. Zudem ist unklar, ob die Teilnehmenden jemals zuvor eine KVT erhalten hatten.78 Es existieren keine Studien, die eine Verhaltenstherapie in Kombination mit Daridorexant im Vergleich zu einer alleinigen Verhaltenstherapie betrachten.

Ausserdem wird ein gesteigertes Risiko für Suizide bei der Verwendung von Dariodexant, insbesondere bei Depressionen und anderen psychischen Vorerkrankungen, angenommen. Eine mögliche Ursache könnte in der Interaktion des Orexin-Systems mit dem Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Signalweg liegen, welcher bei Menschen mit suizidalen Gedanken als gestört gilt.79

Wie sich das Medikament über einen längeren Verlauf in der Praxis tatsächlich auswirkt, muss noch ermittelt werden. Jede neue medikamentöse Therapie, einschliesslich dieser, sollte stets im Rahmen eines Gesamtkonzepts und in Kombination mit den zuvor erwähnten psychotherapeutischen und verhaltenstherapeutischen Massnahmen eingesetzt werden.

Sedierende Antidepressiva

Sedierende Antidepressiva gehören zu den weiteren Medikamenten, die bei Schlafstörungen eingesetzt werden. Diese pharmakologischen Wirkstoffe kommen häufig bei Betroffenen mit Depressionen und komorbiden Schlafstörungen zum Einsatz. Kurzzeitbehandlungen mit diesen Medikamenten zeigen sich durchaus effektiv.2 In der Schweiz sind sie jedoch nicht zur Behandlung von Insomnie ohne komorbide Depression zugelassen. Während Doxepin in den USA und Deutschland in niedrigen Dosierungen für die Behandlung von Insomnie ohne gleichzeitige Depression genehmigt ist, fehlt diese Zulassung in der Schweiz. Auch andere sedierende Antidepressiva werden in der Schweiz häufig «off-label» zur Behandlung von Insomnien ohne komorbide Depression verabreicht.

Antipsychotika

Aufgrund der unzureichenden Daten zu Antipsychotika bei Insomnie und ihren Nebenwirkungen wird ihr Einsatz zur Insomniebehandlung nicht empfohlen.2 Eine Ausnahme bilden gerontopsychiatrische Patienten, bei denen in bestimmten Fällen niedrigpotente Antipsychotika eingesetzt werden können.2

Obwohl Antihistaminika, Melatonin und Phytotherapeutika von vielen Patienten gegen Schlafstörungen verwendet werden, gibt es derzeit weder eine gesicherte, noch eine widersprüchliche Datenlage.2

Der Grossteil der Studien zu Insomnien konzentriert sich auf Kurzzeittherapien (< 4 Wochen) mit pharmakologischen Hypnotika. Studien mit Langzeittherapien zeigen zwar, dass Hypnotika ihre Wirkung über längere Zeiträume beibehalten, jedoch nimmt die Effektivität mit der Zeit ab. Zudem steigt das Risiko einer körperlichen Gewöhnung mit anhaltender Anwendung.2 Deshalb geben die meisten Leitlinien aktuell keine Empfehlungen für Langzeitbehandlungen aus.2

Wenn eine medikamentöse Behandlung von Insomnie erforderlich erscheint, sollte sie auch an eventuell vorhandene Komorbiditäten angepasst werden (Tabelle 11).2,30,31

Tabelle 11
Tabelle 11.Therapeutisches Management der Insomnie bei Komorbiditäten.

Modifiziert nach Wilt et al. (2016).30 Tabelle adaptiert nach Riemann et al. 2017.2

Im Bereich der Insomnie gibt es viele verschiedene weitere Therapieansätze wie Akupunktur, Aromatherapie, Homöopathie, Hypnotherapie, Musiktherapie, die Verabreichung ätherischer Öle, Reflexzonenmassage, Yoga, Tai Chi und Chi Gong. Obwohl sie auf sehr unterschiedlichen Wirkmechanismen basieren, wurden die meisten dieser Ansätze bisher nicht methodisch fundiert untersucht.2

Digitale Gesundheitsanwendungen in der Behandlung der chronischen Insomnie

Ein neuerer Ansatz zur Behandlung der chronischen Insomnie ist die internetbasierte KVT-I. Die Psychoedukation erfolgt online mit Face-to-Face-Option (Einzel- und Gruppensetting). Mithilfe von Videos oder Grafiken erhalten die Nutzer Tipps zur Schlafhygiene und Anleitungen zu Entspannungsübungen. Zudem können sie Daten zu ihrem Schlafverhalten erfassen und visualisieren.

Verschiedene Onlineprogramme werden angeboten (www.somn.io oder www.ksm-somnet.ch, zugegriffen im Juli 2023), die ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben.80–82

Die personalisierten Onlineprogramme vermitteln Patienten umfangreiche Unterstützung und Aufklärungen, beispielsweise über schlafhygienische Regeln und folgen dem Goldstandard der KVT-I. Patienten lernen dabei, sämtliche Bausteine der KVT-I zu verstehen und anzuwenden. Zusätzlich führen sie ein Schlaftagebuch, das dazu dient, den Therapieerfolg zu dokumentieren und die Schlafeffizienz zu berechnen.

Neue Studien zur internetbasierten KVT-I weisen eine beeindruckende Wirksamkeit auf und sind der nicht-Internet-basierten Therapie nur leicht unterlegen.2 In einer umfangreichen, randomisiert kontrollierten Studie wurde nachgewiesen, dass die internetbasierte KVT-I nicht nur zur Verbesserung insomnischer Beschwerden beiträgt, sondern auch depressive Symptome reduziert.83 Diese Studie von Thiart et al. umfasste 128 Patienten und zielte darauf ab, die Wirksamkeit eines begleiteten, internetbasierten Erholungstrainings für Arbeitnehmer, die sowohl unter arbeitsbedingten Belastungen als auch unter Schlafproblemen leiden, zu untersuchen. Der primäre Endpunkt war der Schweregrad der Schlaflosigkeit.83

Zertifizierte Online-Therapieprogramme (digitale Gesundheitsanwendungen) können dabei helfen, Versorgungslücken zu schliessen und stellen eine wertvolle Behandlungsoption zur flächendeckenden Soforthilfe dar. Angesichts der häufig unzureichenden Anzahl an Therapieplätzen für KVT-I kann dies für zahlreiche Betroffene eine aussichtsreiche Therapieoption darstellen.

Gesundheitsrisiken von Insomnien

In den letzten Jahren fand eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage statt, ob chronische Insomnien einen Risikofaktor für somatische und/oder psychische Erkrankungen darstellen.2

Im Kontext kardiovaskulärer Erkrankungen wurde aufgezeigt, dass Insomnien als unabhängiger Risikofaktor das Risiko für Herzinfarkte, Herzversagen und Bluthochdruck langfristig steigern.2,84,85 Mehrere Meta-Analysen, die inzwischen zu diesen Themen publiziert wurden, unterstützen diesen Zusammenhang.2,86,87

Eine kürzlich veröffentlichte Studie konnte nachweisen, dass eine Schlafdauer von weniger als fünf Stunden pro Nacht mit einem um 74 % höheren Risiko einhergeht, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) zu entwickeln, im Vergleich zu einer Schlafdauer von sieben bis acht Stunden pro Nacht.88

In Meta-Analysen haben sich auch Hinweise ergeben, dass eine kurze Schlafdauer langfristig mit einer Gewichtszunahme korreliert und somit als Risikofaktor für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms in Betracht kommen könnte.2,89,90 Ob Insomniepatienten ein erhöhtes Risiko für Übergewicht aufweisen, bleibt gegenwärtig allerdings fraglich. Im Fall von Diabetes scheint die chronische Insomnie hingegen ein eindeutiger Risikofaktor zu sein.2,91

Vor allem Insomnien, die mit einer objektiv verkürzten Gesamtschlafzeit (nachgewiesen durch Polysomnographie) einhergehen, scheinen erhebliche gesundheitliche Konsequenzen zu haben, wie beispielsweise ein signifikant erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.92

Darüber hinaus steigern insomnische Beschwerden das Risiko für Unfälle am Arbeitsplatz und im Strassenverkehr.2

Eindeutige Daten existieren in Bezug auf die Verbindung zwischen Insomnien und psychischen Erkrankungen.2 So zeigen sich Zusammenhänge bei Patienten mit Insomnien, die später depressive Episoden, Suizidalität, Angststörungen oder Substanzabhängigkeiten entwickeln. Patienten mit chronischen Insomnien tragen ein hohes Risiko für ein späteres Auftreten einer Depression2,93–95 oder einer bipolaren Störung.96

Es gibt Hinweise, dass der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement Sleep) negative Affekte im emotionalen Gedächtnis runterreguliert.97,98

Ausblick

Die aktuelle Forschung zielt darauf ab, verschiedene Insomnie-Phänotypen anhand spezifischer Biomarker zu identifizieren. Diese Phänotypen basieren auf unterschiedlichen ätiopathophysiologischen Prinzipien, was in Zukunft zu gezielteren therapeutischen Ansätzen führen könnte.31

Das Wichtigste für die Praxis – Zusammenfassung

Schlafstörungen stellen häufig auftretende und klinisch relevante Probleme dar, die teilweise mit schwerwiegenden Konsequenzen verbunden sind. Sie beeinflussen erheblich die psychische und physische Gesundheit und können zahlreiche Begleit- sowie Folgeerkrankungen mit sich bringen.

Weltweit leiden zwischen 17 bis 32 % der Bevölkerung an Schlafstörungen, wobei die Ursachen oft nicht richtig diagnostiziert werden.2,5,6 In westlichen Ländern erfüllen etwa 6 % der Menschen die Kriterien für chronische Insomnie, doch nur rund ein Drittel dieser Betroffenen sucht ärztlichen Rat. Frauen sind häufiger von Schlaflosigkeit betroffen und die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter.

Akute Insomnien treten häufig auf und werden oft durch temporäre Stressoren ausgelöst. Sobald der Stressor entfällt, verschwindet die Schlaflosigkeit zumeist wieder, sodass in dieser Situation keine weiterführende Diagnostik oder Therapie erforderlich ist. Bei rund zwei Dritteln der Betroffenen entwickelt sich jedoch eine chronische Schlaflosigkeit, die auch nach dem Wegfall des auslösenden Faktors anhält und dann einer Behandlung bedarf.

Die «chronische insomnische Schlafstörung» ist definiert als Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen, die von Beeinträchtigungen während des Tages begleitet sind und mehrmals pro Woche über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten hinweg auftreten.

Komorbiditäten, insbesondere Depressionen und Angststörungen, treten oftmals in Verbindung mit chronischer Insomnie auf. Schlafstörungen können zudem als (Früh-)Symptom für psychische Erkrankungen in Erscheinung treten oder selbst als Risikofaktor für deren Entwicklung wirken. Ferner ist bei Patienten mit internistischen und neurologischen Krankheiten ein gehäuftes Auftreten von chronischer Insomnie zu verzeichnen.

Bei chronischer Insomnie ist daher eine umfangreiche Untersuchung auf psychische und organische Erkrankungen entscheidend, um diese entweder auszuschliessen oder zu diagnostizieren und ggf. zu behandeln. Auch Faktoren wie unzureichende Schlafhygiene, störende Umwelteinflüsse, zirkadiane Besonderheiten, schlafstörende Medikamente sowie dysfunktionaler Substanzkonsum sollten bewertet und entsprechend angepasst werden. Bei Anzeichen einer organischen Schlafstörung, wie beispielsweise OSAS, RLS, PLMS oder Narkolepsie, ist eine Überweisung an ein schlafmedizinisches Zentrum zur weiteren Diagnostik indiziert. Dies gilt ebenso bei therapierefraktärer Insomnie und Insomnie bei Risikogruppen in Zusammenhang mit Eigen- oder Fremdgefährdung.

Die chronische Insomnie ist mittlerweile als eigenständige Erkrankung anerkannt und wird nicht länger nur als Symptom anderer, ursächlicher psychischer oder physischer Erkrankungen betrachtet. Eine effektive Behandlung erfordert daher mehr als nur die Therapie ursächlicher oder aggravierender Faktoren bzw. die Behandlung einer begleitenden Erkrankung. Eine gezielt auf die Insomnie ausgerichtete Therapie wird empfohlen.

Zur Behandlung der Insomnie sollten primär nicht-pharmakologische Interventionen wie Psychoedukation und kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen im Rahmen einer KVT-I angewendet werden, die speziell für die Insomnie entwickelt wurde.

Obwohl die KVT-I die Therapie der ersten Wahl ist, nachweislich effektiv ist und Hypnotika hinsichtlich Langzeitwirkung und Sicherheit übertrifft, wird sie in der Praxis oft vernachlässigt. Häufig erfolgen stattdessen eine Fehlversorgung mit Medikamenten und Überweisungen an Schlaflabore. Wünschenswert ist daher eine weitere Verbreitung der Bekanntheit dieser Methode. Zertifizierte Online-Therapieprogramme der KVT-I können hier hilfreich sein, da sie einfacher verfügbar sind.

Bei therapierefraktären Fällen kann eine stationäre psychosomatische Rehabilitation zu einer Symptomverbesserung führen.

Der Einsatz von Medikamenten (z.B. Hypnotika) zur Therapie der Insomnie sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Eine medikamentöse Behandlung sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die KVT-I erfolglos war, nicht zur Verfügung steht oder wenn aufgrund einer stark erhöhten physiologischen Aktivierung eine kurzfristige nächtliche Hypnotikatherapie notwendig ist, um eine «Therapiefähigkeit» für die KVT-I zu schaffen. Falls eine pharmakologische Behandlung notwendig wird, sollten Benzodiazepine und Benzodiazepinrezeptoragonisten mit kurzer Halbwertszeit oder sedierende Antidepressiva bevorzugt und die Therapiedauer so kurz wie möglich gehalten werden. Ein «Off-Label-Use» ist hierbei zu beachten. Für weitere medikamentöse Therapieansätze (z.B. Antipsychotika, Antihistaminika, Melatonin, Phytotherapeutika) existiert aktuell keine gesicherte oder eine widersprüchliche Datenlage. Langzeittherapien mit Medikamenten werden derzeit nicht empfohlen, da die Risiken den Nutzen übersteigen.

Seit Dezember 2022 ist der Orexin-Rezeptor-Antagonist Daridorexant in der Schweiz zur Behandlung von Erwachsenen mit Insomnie zugelassen, sofern ihre Symptome mindestens 3 Monate andauern und signifikante Auswirkungen auf ihre täglichen Aktivitäten haben. Das Neuropeptid Orexin fördert die Wachheit, indem es das aufsteigende Erregungssystem verstärkt. Daridorexant reduziert durch seinen zielgerichteten Wirkmechanismus die überaktive Wachheit, ohne Schlaf durch Sedierung zu erzwingen. Ein schnelleres Einschlafen, kürzere Wachzeiten und eine längere Gesamtschlafdauer wurde in Studien beobachtet, ohne dass sich die Schlafphasen veränderten.69 Darüber hinaus verbesserte sich die Tagesaktivität und es trat weniger Tagesmüdigkeit auf.69 Eine Verlängerungsstudie mit Langzeitdaten über weitere 40 Wochen zeigte, dass sich die subjektive Gesamtschlafdauer sowie die Tagesaktivität verbessern.74 Wie sich der Nutzen in der Praxis darstellen wird, bleibt abzuwarten. Auch diese neue Therapieoption sollte – wie alle anderen medikamentösen Behandlungen – nicht isoliert, sondern nur im Kontext mit psychotherapeutischen bzw. verhaltenstherapeutischen Massnahmen eingesetzt werden.

Insomnien weisen einen signifikanten Zusammenhang mit dem späteren Auftreten psychischer Erkrankungen, insbesondere Depressionen, auf. Darüber hinaus gibt es Evidenz dafür, dass Insomnie langfristig einen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen darstellt. Der Zusammenhang zwischen Insomnie, Gewichtszunahme und metabolischem Syndrom ist derzeit noch nicht eindeutig belegt. Eine adäquate Behandlung von Insomnien kann daher nicht nur den Leidensdruck der Patienten mindern, sondern hat auch präventives Potential bezüglich der Entwicklung weiterer psychischer und organischer Erkrankungen.


Glossar

ACT: Akzeptanz- und Commitment-Therapie
ADHS: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
AE: Aufwachereignisse
BZ: Benzodiazepine
BZRA: Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten
CPAP Continuous-Positive Airway-Pressure
DGSM: Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin
DSM-5: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
EMA: European Medicines Agency
ESS: Epworth Sleepiness Scale
HWZ: Halbwertszeit
ICD 10/11: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 10/11
ISI: Insomnia Severity Index
KVT-I: Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie
LPS: Einschlaflatenz (Latency to Persistent Sleep)
n.s.: nicht signifikant
OSAS: Obstructive Sleep Apnoea Syndrome
PG: Kardiorespiratorische Poygraphie
PSG: Kardiorespiratorische Polysomnografie
PLMS: Periodic Limb Movement Disorder
PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung
REMD: REM-Dichte
REML: REM-Latenz
REM-Schlaf: Rapid eye movement sleep
RLS: Restless-Legs-Syndrom
SE: Schlafeffizienz
SL: Schlaflatenz
WASO: Wachphasen nach Schlafbeginn (Wake After Sleep Onset)

Disclaimer

Die Inhalte dieser Übersicht wurden mit grösster Sorgfalt und unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Entwicklungen und Erkenntnisse von Dr. Marcus Hesse (Chefarzt Pneumologie, Spital Affoltern am Albis) und unserer Redaktion erstellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Korrektheit, Aktualität und Qualität sämtlicher Inhalte sowie deren Übermittlung übernehmen Autor und Verlag keine Gewähr und Haftung. Diese Inhalte sind ausschliesslich zu Informationszwecken bestimmt und stellen keine Behandlungsempfehlung dar. Fachleute im Gesundheitswesen werden vom Autor auf ihr eigenes Urteilsvermögen bei der Beurteilung und Behandlung der Patientinnen und Patienten verwiesen. Der Autor kann nicht für eine unsachgemässe Gesundheitsversorgung im Zusammenhang mit der Verwendung dieses Dokuments haftbar gemacht werden. Auch geltende nationale Vorschriften und Richtlinien müssen beachtet werden.

Interessenskonflikt

Die Autoren erklären, dass das Manuskript ohne jegliche kommerzielle oder finanzielle Unterstützung verfasst wurde, die als potenzieller Interessenskonflikt ausgelegt werden könnten.

Finanzierung

Alle Autoren haben erklärt, dass sie für die eingereichte Arbeit keine finanzielle Unterstützung von einer Organisation erhalten haben.

Autorenbeiträge

Alle Autoren haben zum endgültigen Manuskript beigetragen und es genehmigt.