Die Hypercholesterinämie ist eine Fettstoffwechselstörung (Dyslipidämie), die durch einen erhöhten Cholesterinspiegel im Blut gekennzeichnet ist, wobei traditionellerweise ein Grenzwert für den Gesamtcholesterin-Spiegel von 200 mg/dl (5,17 mmol/l) angenommen wird,1 obgleich epidemiologisch kein solcher Wert existiert.2 In der Tat korreliert das kardiovaskuläre Risiko linear mit den Plasma-Cholesterinwerten. Zudem haben Patienten mit genetischen Mutationen, die zu lebenslang tiefen Cholesterinwerten führen, ein um 88% niedrigeres kardiovaskuläres Risiko als die Normalbevölkerung.3 Man unterscheidet primäre bzw. erbliche Formen wie die familiäre Hypercholesterinämie, die durch verschiedene Gendefekte verursacht werden (vor allem solche, die für den LDL-Rezeptor oder PCSK9 kodieren), und sekundäre Formen, die z. B. infolge von diversen Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes, Hypothyreose oder Niereninsuffizienz sowie durch einige Medikamente wie Hormonpräparate oder Glukokortikoide entstehen können.1 Weitere Risikofaktoren für erhöhte Cholesterinwerte sind ungesunde Ernährung mit gesättigten und/oder Trans-Fettsäuren, Bewegungsmangel und Rauchen.4 Bei vielen Patienten liegen auch Mischformen aus genetischer Prädisposition und exogenen Faktoren vor.1 Hypercholesterinämie tritt häufig auf. So hatten im Jahr 2022 in der Schweiz 14,3% der Männer und 10,8% der Frauen einen zu hohen Cholesterinwert.5

Hohe LDL-Cholesterinwerte schädigen die Blutgefässe

Cholesterin ist ein essentieller Bestandteil von Zellmembranen und Myelinscheiden. Ausserdem wird es für die Synthese von Steroidhormonen und Gallensäuren (Leber) benötigt.6 Damit wasserunlösliches Cholesterin im Blut transportiert werden kann, liegt es als Komplex in Form von Lipoproteinen vor, die neben Cholesterin verschiedene Proteine, Phospholipide, und Triglyzeride enthalten. Je nach Anteil der einzelnen Bestandteile und der daraus resultierenden Dichte unterscheidet man unter anderem High-Density-Lipoprotein (HDL) und Low-Density-Lipoprotein (LDL), die jeweils unterschiedliche Funktionen im Körper erfüllen:

  • LDL ist für den Cholesterintransport von der Leber zu den extrahepatischen Geweben verantwortlich.6 Wenn jedoch zu viel LDL bzw. an LDL gebundenes Cholesterin (LDL-Cholesterin, LDL-C) im Blut vorhanden ist, lagert es sich in den Arterienwänden ab, oxidiert und verursacht so Schäden am Gefässendothel, die zu Entzündungsreaktionen und zur Bildung von Plaques führen.7 Diese können das Gefäss einengen und zu akuten thrombotischen Verschlüssen führen. Ein zu hoher LDL-C-Wert ist demnach ‒ neben Diabetes, Bluthochdruck, Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel ‒ ein bedeutender Risikofaktor für die Entstehung von Arteriosklerose.8 Diese wiederum kann im Laufe der Zeit zu kardiovaskulären Erkrankungen wie einer koronaren Herzkrankheit, Angina pectoris oder Myokardinfarkt sowie zu einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder zum Schlaganfall führen.8

  • HDL transportiert überschüssiges Cholesterin von den extrahepatischen Geweben zurück zur Leber, über die es in Form von Gallensäure ausgeschieden wird.6 Daher wurden bis vor einigen Jahren hohe HDL-C-Werte als gefässschützend interpretiert und man war der Meinung, dass dadurch auch hohe LDL-C-Konzentrationen kompensiert werden können. Mittlerweile wird die kardioprotektive Bedeutung des HDL jedoch zurückhaltender beurteilt. Aktuell geht man davon aus, dass niedrige HDL-C-Spiegel zwar auf ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose und kardiovaskuläre Erkrankungen hinweisen, hohe HDL-C-Serumkonzentrationen jedoch kein vermindertes kardiovaskuläres Risiko bedeuten, vor allem da HDL-C bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen funktionsgestört ist.9,10 Der früher routinemässig bestimmte LDL-HDL-Quotient hat daher für die Risikoabschätzung inzwischen an Bedeutung verloren.9 Routinemässig wird aber weiterhin das Nicht-HDL-Cholesterin bestimmt.11 Um das Lipid-Profil zu ermitteln, werden im Labor die Blutwerte für das Gesamt-Cholesterin, das HDL- und LDL-Cholesterin gemessen bzw. für LDL-C nach der Friedewald-Formel berechnet.12 Auch die Konzentration der Triglyceride wird bestimmt, da ein erhöhter Wert als eigenständiger, aber schwacher kardiovaskulärer Risikofaktor gilt.12 Anhand dieser Werte und anderer Faktoren wie Alter, Geschlecht, Familienanamnese, Blutdruck und Nikotinkonsum lässt sich auf Basis des Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose (AGLA)-Scores das kardiovaskuläre Risiko bei scheinbar gesunden Personen errechnen und dann gegebenenfalls das weitere therapeutische Vorgehen planen.13 Alternativ kann das Risiko auch über den ESC-SCORE2 bzw. ESV-SCORE2-OP ermittelt werden.14

Therapeutisches Vorgehen

Die Behandlung einer Hypercholesterinämie hat primär zum Ziel, die erhöhte LDL-C-Konzentration im Blut zu senken.15 Dabei hängt der Zielwert vom kardiovaskulären Gesamtrisiko des jeweiligen Patienten ab (Abbildung 1).11,12 Um den angestrebten Wert zu erreichen, kommt als Basismassnahme zunächst eine Änderung des Lebensstils in Betracht.12 Falls sich dadurch keine ausreichende Verringerung der LDL-C-Konzentration erzielen lässt, sollten die Betroffenen medikamentös behandelt werden.12

Abbildung 1
Abbildung 1.LDL-C-Zielwerte in Abhängigkeit vom kardiovaskulären Gesamtrisiko.

ASCVD, atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung; BP, Blutdruck; CKD, chronische Nierenerkrankung; CV, kardiovaskulär; DM, Diabetes mellitus; eGFR, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate; FH, familiäre Hypercholesterinämie; LDL-C, Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin; SCORE, Systematic Coronary Risk Estimation; DM1, Typ-1-DM; DM2, Typ-2-DM. Abbildung adaptiert nach Mach et al. 2020.11

Lebensstiländerung

Durch eine geeignete Änderung des Lebensstils kann der Lipidstoffwechsel verbessert, aber auch ‒ unabhängig vom Ausmass der LDL-C-Reduktion ‒ das kardiovaskuläre Risiko bzw. die Mortalität reduziert werden.12 Empfohlen werden regelmässige körperliche Aktivität, Ernährungsumstellung z. B. auf mediterrane Kost, Gewichtsreduktion, insbesondere bei Adipositas, sowie Verzicht bzw. Einschränkung von Rauchen, Alkoholkonsum, zuckerhaltigen Getränken und Salzkonsum.12 Im Gegensatz zu den Triglyceriden, ist die Wirkung auf die LDL-C Spiegel jedoch relativ gering.

Pharmakotherapie

Zur medikamentösen Therapie der Hypercholesterinämie werden Statine, Cholesterinabsorptionshemmer, Bempedoinsäure und PCSK9-Inhibitoren empfohlen.12 Mittlerweile ist mit Inclisiran in der Schweiz auch ein siRNA-basierter Wirkstoff zur Senkung des LDL-C-Spiegels zugelassen. Die Wirkmechanismen der einzelnen Substanzen sind in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2
Abbildung 2.Wirkmechanismen der unterschiedlichen Substanzen, die in der Therapie der Hypercholesterinämie zum Einsatz kommen können.

ACL, ATP-Citrat-Lyase; HMG-CoA-R: 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase; IDL, Intermediate-Density-Lipoprotein; LDL, Low-Density-Lipoprotein; LDL-R, LDL-Rezeptor; LPL, Lipoproteinlipase; NPC1L1, Niemann-Pick C1-artiges Protein 1; PCSK9, Proprotein-Convertase-Subtilisin/Kexin-Typ 9; VLDL, Very-Low-Density-Lipoprotein. Abbildung adaptiert nach Makhmudova et al. 2024.16

Statine

Diese Substanzen reduzieren die Cholesterinsynthese, indem sie die 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A (HMG-CoA)-Reduktase hemmen, die einen wichtigen Schritt bei der Biosynthese des Cholesterins katalysiert.17 Je nach eingesetztem Statin können die LDL-C Plasmaspiegel um über 50% reduziert werden.12 In der Schweiz sind mit, Atorvastatin, Fluvastatin, Pitavastatin, Pravastatin, Rosuvastatin und Simvastatin aktuell sechs oral applizierbare Statine zur Behandlung erhöhter Cholesterinspiegel zugelassen.18 Statine sind Medikamente der 1. Wahl zur Lipidsenkung.12

Cholesterinabsorptionshemmer

Der orale Cholesterinabsorptionshemmer Ezetimib kann bei einer Unverträglichkeit gegen Statine oder in Kombination mit einem Statin, wenn das Therapieziel durch eine Statin-Monotherapie nicht erreicht wird, eingesetzt werden.12 Die Substanz bindet an das Cholesterin-Transportprotein Niemann-Pick C1-Like 1 (NPC1L1), das für die Aufnahme von Cholesterin im Dünndarm verantwortlich ist.19 Dadurch wird die Resorption von Cholesterin aus dem Verdauungstrakt gehemmt.

PCSK9-Inhibitoren

Das durch Hepatozyten gebildete PCSK9 bindet sich in der Leber an die LDL-C-Rezeptoren und führt anschliessend in den Lysosomen zum Abbau von LDL-C-Rezeptoren und damit zu erhöhten LDL-C-Spiegeln im Blut.20,21 Monoklonale, humane Antikörper gegen PCSK9 sorgen dafür, dass weniger LDL-Cholesterin-Rezeptoren abgebaut werden und somit mehr auf der Oberfläche der Leberzellen vorhanden sind.20,21 Folglich steigt die Aufnahme des LDL-Cholesterins in die Zellen und die Konzentration im Blut nimmt ab (Abbildung 2).20,21 In der Schweiz sind mit den beiden Antiköpern Evolocumab und Alirocumab derzeit zwei injizierbare PCSK9-Inhibitoren zur Senkung des LDL-C-Spiegels und auch zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos zugelassen.22,23

Dass der PCSK9-Inhibitor Evolocumab den Cholesterinspiegel auch langfristig sehr wirksam senken kann, zeigt unter anderem die randomisierte offene Extensionsstudie OSLER-1.24 In diese wurden Patienten mit Hypercholesterinämie eingeschlossen, die zuvor an einer von fünf jeweils 12-wöchigen Phase-II-Studien mit Evolocumab teilgenommen hatten. Nach einer Randomisierung im Verhältnis 1:2 erhielten insgesamt 1255 Studienteilnehmer über ein Jahr entweder nur eine Standardtherapie (SOC «standard of care») oder zusätzlich noch subkutan alle vier Wochen 420 mg Evolocumab (SOC plus Evolocumab). Lokale Leitlinien für die Behandlung von Hypercholesterinämie wurden für SOC berücksichtigt. Nach Abschluss dieser Phase wurden insgesamt 1151 Patienten unter SOC plus Evolocumab weiter beobachtet. Während des ersten Studienjahres konnte der mittlere LDL-C-Wert unter SOC plus Evolocumab um 59% von 140 mg/dl (3,62 mmol/l) auf 57 mg/dl (1,47 mmol/l) gesenkt werden. In der Kontrollgruppe wurde der LDL-Cholesterinwert im gleichen Zeitraum um 3% auf 137 mg/dl (3,54 mmol/l, p<0,001) reduziert. In den folgenden vier Jahren wurden unter Evolocumab LDL-C-Reduktionen zwischen 56% und 57% im Vergleich zum Ausgangswert erreicht. Die jährlichen Raten an schweren Nebenwirkungen lagen unter SOC plus Evolocumab zwischen 6,9% und 7,9%. Sie unterschieden sich damit nicht wesentlich von der im ersten Jahr beobachteten Nebenwirkungsrate der Vergleichsgruppe, die bei 6,8% lag. Während des gesamten Studienzeitraums entwickelte keiner der Patienten neutralisierende Antikörper gegen Evolocumab.

Bestätigt werden diese Ergebnisse durch die Real-World-Daten der aktuellen HEYMANS-Studie.25 In die deutsche Kohorte der multizentrischen, retrospektiven und prospektiven Beobachtungsstudie wurden 380 Patienten mit hohem bis sehr hohem kardiovaskulärem Risiko eingeschlossen, die eine Evolocumab-basierte Therapie erhielten, davon 93% als sekundäre Prävention. Von den Teilnehmern wiesen 69% eine Intoleranz gegenüber zumindest einem Statin auf. 218 Patienten wurden über 10 bis 12 Monate beobachtet, 70 über 28 bis 30 Monate. Der mediane LDL-C-Wert zur Baseline betrug 145 mg/dl (3,75 mmol/l). Innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Evolocumab-Therapie fiel der mediane LDL-C-Wert um 53% und blieb dann über die gesamte Beobachtungsdauer von 30 Monaten stabil. Insgesamt erreichten 59% der Patienten den von der European Society of Cardiology/European Atherosclerosis Society (ESC/EAS) empfohlenen LDL-C-Zielwert von <55 mg/dl (<1,42 mmol/l), wobei diejenigen, die eine zusätzliche lipidsenkende Therapie (LLT) erhielten, noch stärker profitierten (69% mit und 49% ohne LLT). In den ersten 12 Monaten nahmen 90,6% der Patienten Evolocumab persistent ein; in den Monaten 13 bis 30 war dies bei 93,5% der Fall. Zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen kam es bei 8% der Patienten.

Auch von einer Therapie mit Alirocumab können Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko profitierten, wie die Ergebnisse von ODYSSEY OUTCOMES zeigen.26 In die doppelblinde Studie wurden insgesamt 18924 Teilnehmer eingeschlossen, die bereits ein akutes Koronarsyndrom erlitten hatten und deswegen intensiv mit einem Statin behandelt worden waren. Die Teilnehmer erhielten nach Randomisierung im Verhältnis 1:1 entweder Alirocumab (75 mg, alle zwei Wochen, s. c.) oder stattdessen Placebo. Der primäre Endpunkt war die Häufigkeit schwerer unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse wie Tod durch koronare Herzkrankheit, nicht tödlichem Myokardinfarkt, tödlichem oder nicht tödlichem ischämischem Schlaganfall und instabiler Angina pectoris, die einen Spitalaufenthalt erforderte. Die Auswertung der Daten nach einem mittleren Follow-up von 2,8 Jahren ergab, dass dieser Endpunkt bei 9,5% der Patienten unter Alirocumab auftrat im Vergleich zu 11,1% der Patienten in der Placebogruppe. Damit wurde das Risiko durch den PCSK9-Inhibitor signifikant um 15% reduziert (HR: 0,85 [95% CI: 0,78 bis 0,93]; p<0,001; Abbildung 3). Dabei hatten vor allem diejenigen Patienten einen ausgeprägten kardioprotektiven Nutzen, die zu Studienbeginn einen LDL-C-Wert ≥100 mg/dl aufwiesen. Die Häufigkeit der unerwünschten Ereignisse war in beiden Gruppen ähnlich, mit Ausnahme von lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle (3,8% unter Alirocumab vs 2,1% in der Placebo-Gruppe).

Abbildung 3
Abbildung 3.Kumulative Inzidenz des zusammengesetzten primären Endpunkts: Kombination aus Tod durch koronare Herzkrankheit, nicht tödlichem Myokardinfarkt, tödlichem oder nicht tödlichem ischämischem Schlaganfall und instabiler Angina pectoris, die einen Spitalaufenthalt erforderte.

Evolocumab im Vergleich zum Placebo in der FOURIER Studie. Rechts: Alirocumab im Vergleich zum Placebo in der ODYSSEY OUTCOMES Studie. Abbildung adaptiert nach Schwartz et al. 2018.26

Aktuelle Daten von ODYSSEY OUTCOMES zeigen, dass die Patienten noch länger als 2,8 Jahre von Alirocumab profitieren können.27 In die Untersuchung wurden Patienten eingeschlossen, die für eine Nachbeobachtungszeit von 3 bis 5 Jahren infrage kamen. Dabei lag das Follow-up bei 6651 Teilnehmern zwischen 3 und 4 Jahren und bei 1574 zwischen 4 und 5 Jahren. Eine Subgruppenanalyse, die nach 3 Jahren bei 3551 Patienten durchgeführt wurde, ergab, dass der LDL-C-Wert unter Alirocumab im Vergleich zu Placebo konsistent und nachhaltig um 53% (Monat 1) bzw. um 62% (Monat 36) gesenkt werden konnte. Vier Jahre nach der Randomisierung trat der primäre Endpunkt der Studie bei 12,0% der Patienten in der Alirocumab-Gruppe gegenüber 14,2% in der Placebogruppe auf (HR: 0,83 [95% CI: 0,74 bis 0,94]; p=0,003). Auch die Gesamtmortalitätsrate war unter Alirocumab nach vier Jahren niedriger als in der Vergleichsgruppe (5,4% vs 7,0%; p=0,01), ebenso wie die kardiovaskulär bedingte Mortalitätsrate (3,9% vs 5,0%; HR: 0,81 [95% CI: 0,65 bis 1,01]; p=0,06). Was das Sicherheitsprofil betrifft, hatten 27,5% der Patienten unter Alirocumab mindestens ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis im Vergleich zu 29,4% unter Placebo. Alirocumab reduzierte demnach auch langfristig das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse und Tod nach akutem Koronarsyndrom, ohne dass es Unterschiede bei der spezifischen Sicherheit oder den allgemeinen Nebenwirkungen gab.

siRNA-basierter Wirkstoff

Mit Inclisiran ist in der Schweiz seit September 2021 eine weitere LDL-C-senkende Substanz zugelassen, die bei Hypercholesterinämie zum Einsatz kommen kann.28 Dabei handelt es sich um einen siRNA-basierten Wirkstoff, der an N-Acetylgalactosamin-Kohlenhydrate gekoppelt ist und so spezifisch nur über den in Leberzellen exprimierten Asialoglykoprotein-Rezeptor aufgenommen wird.29 Im sogenannten RISC-Komplex im Cytoplasma der Leberzellen hemmt die siRNA die Translation der Messenger-RNA von PCSK9 in das Protein,10 so dass weniger PKSK9 produziert wird. Dies wiederum reduziert den Abbau der LDL-Rezeptoren ‒ es kann vermehrt LDL in die Zelle aufgenommen werden und der LDL-C-Spiegel im Blut sinkt.29

In ORION-3, einer vierjährigen offenen Erweiterungsstudie der placebokontrollierten einjährigen Phase-II-Studie ORION-1, konnte gezeigt werden, dass Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko und erhöhtem LDL-Cholesterinspiegel auch langfristig von einer Therapie mit Inclisiran profitieren können.30 Im Rahmen der Studie wurden 290 Patienten, die in ORION-1 bereits Inclisiran erhalten hatten, über die gesamte Studiendauer weiterhin mit Inclisiran (300 mg, zweimal jährlich, s. c.) behandelt (Nur-Inclisiran-Arm), während 92 Patienten, die zuvor in der Placebo-Gruppe waren, zunächst bis zum Tag 360 Evolocumab (140 mg, alle zwei Wochen, s. c.) erhielten und dann auf Inclisiran umgestellt wurden (Wechsel-Arm). Die Auswertung der Daten zeigte, dass der LCL-C-Wert im Nur-Inclisiran-Arm bis zum Tag 210 der ORION-3-Studie um 47,5% reduziert werden konnte. Diese Verbesserung des LDL-C-Wertes blieb über die gesamte vierjährige Studiendauer erhalten. Im Wechsel-Arm wurde des LDL-C-Wert während der einjährigen Therapie mit Evolocumab im Durchschnitt um 61,0% verringert. Nach der Umstellung auf Inclisiran lag die mittlere LDL-C-Reduktion über drei Jahre bei 45,3%. Die vorherige Therapie mit Evolocumab hatte also keine relevante Auswirkung auf die Wirksamkeit der nachfolgenden Behandlung mit Inclisiran. Zudem konnte unter Evolocumab zwar eine stärkere Senkung des LDL-C-Wertes erreicht werden als unter Inclisiran (61,0% vs 45,3%). Dafür waren in einem Jahr jedoch jeweils 25 Injektionen notwendig, während Inclisiran innerhalb von vier Jahren nur neunmal injiziert werden musste. Insgesamt wurde Inclisiran gut vertragen und es traten über die gesamte Studiendauer keine neuen Sicherheitssignale auf.

Bempedoinsäure

Die Substanz ist ein Prodrug, das nach Aktivierung die Adenosintriphosphat-Citrat-Lyase (ACL) ‒ ein Schlüsselenzym bei der hepatischen Cholesterinbiosynthese ‒ hemmt. Dadurch kann der LDL-C-Spiegel gesenkt werden.31 Bempedoinsäure ist in der Schweiz seit Dezember 2020 indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit klinisch manifester atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung oder heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie, die eine zusätzliche LDL-C-Senkung benötigen.31,32 Dabei wird das Medikament neben einer Diät und in Kombination mit einem Statin in der maximal verträglichen Dosis mit oder ohne andere lipidsenkende Therapien angewendet.31

In die Phase-III-Studie CLEAR-Outcomes wurden 13970 Patienten eingeschlossen, die aufgrund von Nebenwirkungen keine oder nur niedrig dosierte Statine einnehmen konnten oder wollten und ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen.33 Nach einer Randomisierung im Verhältnis 1:1 erhielten diese Bempedoinsäure (180 mg/d, oral; n=6992) oder stattdessen Placebo (n=6978). Der mittlere LDL-C-Wert bei Studienbeginn betrug in beiden Gruppen 139,0 mg/dl (3,59 mmol/L). Als primärer Endpunkt wurde eine Kombination schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall oder koronare Revaskularisation) definiert. Nach einem medianen Follow-up von 40,6 Monaten kam es zu folgenden Ergebnissen:

  • Nach 6 Monaten konnte der LDL-C-Wert unter Bempedoinsäure um 29,2 mg/dl (0,75 mmol/l) gesenkt werden im Vergleich zu Placebo. Das entsprach einer Reduzierung um 21,1 Prozentpunkte.

  • Der primäre Endpunkt trat unter Bempedoinsäure signifikant seltener auf als unter Placebo (11,7% vs 13,3%; HR: 0,87 [95% CI: 0,79 bis 0,96]; p=0,004).

  • Auch die Rate der Myokardinfarkte (3,7% vs 4,8%; HR: 0,77 [95% CI: 0,66 bis 0,91]; p=0,002) sowie die Rate der koronaren Revaskularisationen (6,2% vs 7,6%; HR: 0,81 [95% CI: 0,72 bis 0,92]; p= 0,001) waren unter Bempedoinsäure signifikant reduziert gegenüber der Vergleichsgruppe.

  • Was die Sicherheit betrifft, war die Rate der schwerwiegenden Ereignisse nach Therapiebeginn unter Bempedoinsäure und Placebo vergleichbar (25,2% vs 24,9%), ebenso die Rate der Therapieabbrüche infolge von Nebenwirkungen (10,8% vs 10,4%).

  • Hyperurikämie, Gicht und Cholelithiasis wurden in der Bempedoinsäure-Gruppe häufiger als in der Placebo-Gruppe beobachtet.

Demnach verringerte die Behandlung mit Bempedoinsäure bei Patienten, bei denen eine primäre oder sekundäre kardiovaskuläre Prävention indiziert war, die aber nicht für eine Statintherapie infrage kamen, das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse signifikant.

Management der Hypercholesterinämie

In ihren Leitlinien empfehlen die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und die Europäische Atherosklerosegesellschaft (EAS) die in Abbildung 4 dargestellte Vorgehensweise bei der Senkung des LDL-Cholesterin-Spiegels.11

Abbildung 4
Abbildung 4.Behandlungsempfehlungen gemäss European Society of Cardiology (ESC)/European Atherosclerosis Society (EAS)-Leitlinien für die Senkung des low-density-lipoprotein-cholesterin (LDL-C).

FH, familiäre Hypercholesterinämie; HK, Herz-Kreislauf; PCSK9-I, Inhibitor des Proprotein-Convertase-Subtilisin/Kexin vom Typ 9. Abbildung adaptiert nach 11 und 34.

Auf den Punkt gebracht
  • Ein zu hoher Cholesterinspiegel im Blut kommt häufig vor und kann langfristig zu verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen führen.

  • LDL-Cholesterin ist ein wichtiger Risikofaktor für Arteriosklerose und gilt daher als Zielparameter bei der Behandlung der Hypercholesterinämie.

  • Das individuelle kardiovaskuläre Risiko kann anhand des Lipidprofils und weiterer Faktoren mit Hilfe des AGLA- oder des ESC-Scores bestimmt werden.

  • Zur Therapie der Hypercholesterinämie kommen nicht-medikamentöse Massnahmen wie eine Änderung des Lebensstils sowie Medikamente zum Einsatz.

  • Empfohlen werden Statine und Cholesterinabsorptionshemmer sowie Bempedoinsäure oder PCSK9-Inhibitoren (monoklonale Antikörper). Durch Statine, Bempedoinsäure und die Kombination von Statinen mit Ezetimib und Statinen mit PCSK9-Hemmern (monoklonalen Antikörper) wurde eine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse erreicht.

  • Mit dem siRNA-basierten Wirkstoff Inclisiran steht seit 2021 in der Schweiz eine weitere Therapie gegen Hypercholesterinämie zur Verfügung, die in einer Studie an kardiovaskulären Hochrisikopatienten ihre LDL-C-senkende Wirkung auch langfristig zeigen konnte. Die Wirkung von Inclisiran auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität ist bisher noch nicht bestimmt.


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